Die Schöne des Herrn (German Edition)
Aber lasst uns den Untergebenen gegenüber gnädig sein und das Vergangene vergessen! Sag mir die Nummer seines Zimmers.«
»Appartement siebenunddreißig, mein Herr, aber ein Page wird Sie hinaufbegleiten.«
Auf ein Zeichen des Chefs eilte einer der Hotelboys herbei, und Saltiel blickte verwundert auf die rote Uniform des kleinen, so ordentlich gekämmten Jungen mit seinen goldenen Epauletten, den blitzenden Knöpfen auf der kurzen Jacke und den goldenen Litzen auf Hose und Ärmeln. »So klein und schon Page!«, dachte er. »Was für Sitten! Und herausgeputzt wie der Prinz von Wales! Auch das erhöht die allgemeinen Unkosten!« Der Boy biss sich auf die Lippe, um ernst zu bleiben, und bat ihn, ihm zu folgen. Doch zwei Meter vor dem Fahrstuhl blieb Saltiel stehen, denn ein Gedanke beunruhigte ihn plötzlich. All diese Dienstboten würden jetzt das Gerücht verbreiten, der erlauchte Gast habe einen unmanierlichen Onkel und stamme folglich aus einer nicht vornehmen Familie. Nun gut, er würde diesen Europäern zeigen, dass er sich zu benehmen und in der großen Welt zu bewegen wusste.
»Nach Ihnen«, sagte er und lächelte dem winzigen weißbehandschuhten Diener freundlich zu, der reglos vor dem Fahrstuhl wartete.
Der Junge gehorchte, rot vor unterdrückter Lachlust, und Saltiel folgte ihm mit dem gleitenden und wiegenden Schritt, den er für den Gipfel diplomatischer Manieren hielt.
»Kehren Sie an Ihre Arbeit zurück, mein Kind«, sagte er, als der Fahrstuhl auf der dritten Etage hielt. »Sie brauchen mich nicht zu begleiten, ich finde die nummerierte Tür schon. Hier sind zehn Schweizer Centimes, kaufen Sie sich etwas zum Naschen oder geben Sie sie ihrer ehrbaren Mutter, ganz wie Sie wollen.«
Die Undankbarkeit des kleinen Frechlings, der ihm nicht einmal gedankt hatte, schockierte ihn. Was hatte dieser Königssohn schon anderes getan, als auf einen Knopf dieser senkrechten Lokomotive zu drücken? Und was für ein Trinkgeld erwartete er eigentlich, dieser junge Herr? Zehn Centimes, gewiss, aber Schweizer Centimes, also zehn Goldtröpfchen!
Nachdem seine Empörung sich gelegt hatte, trat er lächelnd in den leeren Flur und gratulierte sich, dass er es geschafft hatte, den Prinz von Wales loszuwerden. Jetzt konnte er sich in aller Ruhe auf seinen Eintritt vorbereiten und einen guten Eindruck erwecken. Er zog einen Taschenspiegel hervor und betrachtete sich. Der Umlegekragen saß gut, war sauber und frisch gestärkt. Gute Idee, den Gehrock heute früh gebügelt zu haben. Die rote Nelke im Knopfloch passte gut zur geblümten Weste, und außerdem trugen die englischen Minister immer eine Blume im Knopfloch. Er glättete seinen weichen weißen Haarschopf und setzte sich die Mütze schief auf, denn er hatte bemerkt, dass sein Neffe seinen schönen Zylinder stets etwas schief aufsetzte, wenn er im Frack war.
»Ja, so sieht die Mütze etwas moderner, etwas verwegener und zugleich auch gewichtiger aus.«
Er ließ den kleinen Spiegel bis vor seine Knie hinuntergleiten. Die Kniehosen wurden von der Silberschnalle ordentlich zusammengehalten. Gestern Abend hatte Eisenbeißer seine altmodischen Hosen kritisiert. Aus Eifersucht natürlich. Er hatte immer Kniehosen getragen, und in seinem Alter würde er das auch nicht mehr ändern. Kurz, er war präsentabel. Er seufzte tief und lächelte. Hinter dieser Tür war sein Neffe, dachte an ihn und erwartete ihn. Ja, sogleich beim Eintreten würde er ihn umarmen und ihn dann segnen. Er räusperte sich noch einmal, und sein altes Herz pochte schneller; er näherte sich der Tür und klopfte leise. Keine Antwort. Beherzt klopfte er etwas lauter.
Die Tür öffnete sich, Solal erschien in einem prächtigen Schlafrock, verneigte sich und küsste die Hand Saltiels, dessen Beine nachgaben. Dieser Handkuss überwältigte ihn, und er fand keine Worte. Er traute sich nicht, seinen Neffen, der übrigens zu groß war und ihn lächelnd betrachtete, zu umarmen. Um nicht völlig aus der Fassung zu geraten, rieb er sich die Hände und fragte Sol, ob es ihm gut gehe. Als dieser bejahte, rieb er sich erneut die Hände.
»Gelobt sei Gott. Auch mir geht es sehr gut, danke. Es ist herrliches Wetter heute«, fügte er nach einer Pause hinzu.
Endlich erbarmte sich Solal und setzte der Verlegenheit seines kleinen Onkels ein Ende, indem er ihn auf die so schön glattrasierten Wangen küsste. Saltiel erwiderte die Küsse, schnäuzte sich, murmelte einen Segen, blickte sich um und strahlte.
»Ein
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