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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Fingern, dieses lebende Anhängsel, dessen Elastizität sie in ihren meditativen Augenblicken gern auskostete.) Was hast du, mein Didi? Du siehst plötzlich so besorgt aus. Ist es ihretwegen? Sag es deiner Mammi.«
    »Ach, dieser verdammte Zettel an ihrer Tür. Immer das gleiche Lied, sie schläft und will nicht geweckt werden. Eine dumme Angewohnheit, diese ewigen Schlafmittel.«
    Sie befingerte abermals ihr fleischiges Anhängsel, knetete es mit zwei geübten Fingern und seufzte, fand aber den Augenblick unpassend, um frei auszusprechen, was sie dachte. An diesem feierlichen Tag, wo der Herr Untergeneralsekretär des Völkerbundes zum Abendessen kam, brauchte Didi all seine Energie.
    »Was willst du, sie bräuchte eben ein wirkliches Interesse im Leben«, konnte sie sich dennoch nicht verkneifen zu sagen. »Ach, wenn sie sich nur ein bisschen um den Haushalt kümmerte! Wie soll die Ärmste schlafen können, wenn sie stundenlang in ihrem Zimmer liegt und Romane liest.«
    »Morgen, wenn ich mir keine Gedanken mehr wegen der Einladung machen muss, werde ich ein ernstes Wort mit ihr reden«, sagte Adrien. »Und weißt du, dieses Schlafmittel hat sie nur genommen, weil wir um Mitternacht von den Johnsons zurückgekommen sind. Ach ja, ich hatte heute Morgen gar keine Zeit, dir zu erzählen, wie dieses Diner verlaufen ist. Sehr schick, großer Luxus, wir waren achtzehn. Tadelloser Service. Lauter Leute der besseren Gesellschaft. Diese Einladung verdanke ich meinem A. Verstehst du, jetzt existiere ich für Johnson. Der U.G.S. war auch da, sehr elegant, aber er hat mit fast niemandem gesprochen. Nur ein bisschen mit Lady Haggard, die eine enge Freundin der Johnsons ist, sie nennen sich beim Vornamen, und die Johnsons sagen alle naselang Jane zu ihr. Sie ist die Frau des Generalkonsuls von Großbritannien, der aber den Rang eines bevollmächtigten Gesandten hat, weil der Posten in Genf so wichtig ist, das wird manchmal so gemacht, aber er war nicht da, weil er die Grippe hat. Sie ist hübsch, viel jünger als ihr Mann, höchstens zweiunddreißig, und sie hat den U.G.S. mit Blicken verschlungen. Als wir dann in den Salon gingen, den größeren meine ich, denn stell dir vor, sie haben drei Salons, die ineinander übergehen …«
    »Bei den van Offels gibt es auch drei ineinander übergehende Salons«, unterbrach Frau Deume mit bescheidenem Lächeln und stark durch die Nase atmend.
    »Als wir also in den Salon gingen, hat sich Lady Haggard neben den U.G.S. gesetzt und die ganze Zeit mit ihm geredet, sie hat ihm weiß Gott den Hof gemacht, und stell dir vor, als wir gerade von einer Grotte sprachen, die sich auf dem Landbesitz der Johnsons befindet, hat sie ihm angeboten, sie ihm zu zeigen. Was in der Grotte passiert ist, weiß ich nicht. Schweigen wir lieber! Und als sie fortging, hat sie sich erboten, ihn in ihrem Wagen ins Ritz zurückzubringen, weil er seinen nicht da hatte, vielleicht ist er in der Reparatur, obwohl mich das wundern sollte, denn es ist ein Rolls. Was sich zwischen den beiden dann abgespielt hat, möchte ich lieber nicht wissen, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit! Ach, ich habe ganz vergessen, da war ja auch noch zur Linken von Frau Johnson der rumänische Legationsrat, und der U.G.S. zu ihrer Rechten. Da siehst du, in welche Welt mein A mir Eintritt verschafft!«
    »Ja, mein Schatz«, sagte Frau Deume, glücklich über den gesellschaftlichen Erfolg ihres Adoptivsohns, jedoch verbittert, nicht an ihm teilhaben zu dürfen, und wenig geneigt, weitere Einzelheiten über diese große Welt zu erfahren, von der sie ignoriert wurde.
    »So, genug geschwatzt. Sag mal, Mammi, da ist noch eine Kleinigkeit, die mir Sorge macht. Der arme Papi ist nach dem Mittagessen ganz traurig in sein Kämmerchen gegangen, du hast ihn vielleicht doch ein bisschen zu barsch abgefertigt.«
    »Gott bewahre, ich habe ihm nur sehr nett erklärt, dass ich in aller Ruhe mit dir die Vorbereitungen für heute Abend besprechen müsste. Ich habe ihn sogar ›mein lieber Hippolyte‹ genannt, du siehst also …«
    »Ja, aber er fühlt sich beiseite geschoben.«
    »Aber durchaus nicht, er hat seinen Leitfaden für gutes Benehmen. Ach ja, das habe ich dir noch gar nicht erzählt, stell dir vor, heute früh ist er in die Stadt gelaufen, um sich ein Benimmbuch zu kaufen, ohne mir ein Wort zu sagen, stell dir vor, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen! Der Herr Gemahl wollte mich vor vollendete Tatsachen stellen! Nun ja, er hat es von

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