Die Schöne des Herrn (German Edition)
Reichtum, auch wenn sie es nicht nötig hat, denn sie ist tüchtig. Und dieses Hotel ist sehr gut geführt, eigentlich kann man das Licht ruhig brennen lassen, es wirkt fröhlicher. (Nach kurzem Schweigen sagte er sich, dass ein paar Einzelheiten über Sol diesen finsteren Kerl interessieren und ihn endgültig besänftigen könnten.) Wissen Sie, lieber Herr Portier, mein Neffe trägt wie alle Erstgeborenen der älteren Linie der Solals den Vornamen Solal. Das ist eine Tradition! Und auf der rabbinischen Geburtsurkunde ist er als Solal XIV. von den Solal, Sohn des ehrwürdigen Großrabbiners von Kephalonia und Sohn des Hohepriesters Aaron, Bruder des Moses, eingetragen! Interessant, nicht wahr? Erfahren Sie außerdem, mein sympathischer Herr Portier, dass meine vier Cousins und ich die Ehre haben, der jüngeren Linie anzugehören! Nach einigen Jahrhunderten teils angenehmen, teils weniger angenehmen Lebens in verschiedenen französischen Provinzen sind wir im Jahre 1799 auf die griechische Insel Kephalonia zurückgekehrt, wohin sich die ältere Linie im Jahre 1492 nach der Vertreibung der Israeliten aus Spanien geflüchtet hatte! Der verfluchte Torquemada! Verabscheuen wir ihn! Aber erfahren Sie ferner, dass wir fünf, die jüngeren Solals, auch die Tapferen von Frankreich genannt, durch den reizenden Erlass der Nationalversammlung vom siebenundzwanzigsten September 1791 zu vollberechtigten französischen Staatsbürgern gemacht wurden und dass wir stolz französische Staatsbürger geblieben sind, eingetragen im Konsulat von Kephalonia, dass wir mit Rührung die liebliche Sprache des edlen Landes, aber angereichert mit alten Wörtern der Grafschaft Venaissin, die uns allein bekannt sind, sprechen, dass wir in den Winternächten weinend Ronsard und Racine lesen, und erfahren Sie schließlich, geschätzter Herr Portier, dass Eisenbeißer und Michael ihren Militärdienst im hunderteinundvierzigsten Infanterieregiment in Marseille absolviert haben, während die drei anderen, einschließlich meiner Wenigkeit, für die militärischen Strapazen nicht für tauglich befunden wurden, was eine Enttäuschung war, aber was soll man tun?«
Das Läuten des Telefons unterbrach ihn, und der Portier teilte ihm, nachdem er aufgelegt hatte, mit, dass sein Neffe nach ihm verlange. »Das Gespräch hat mich sehr gefreut, und ich bitte Sie, ein Anisbonbon annehmen zu wollen«, sagte Saltiel, hielt dem Portier seine kleine Schachtel mit Naschwerk hin, verbeugte sich anmutig und ging, zufrieden mit seiner List. Jetzt drohte Sol keine Gefahr mehr, denn er hatte den Portier bezaubert! Sehr liebenswürdig und nachdem er dem kleinen roten Prinzen mit den goldenen Knöpfen ein Lakritzebonbon angeboten, »Ihrem Alter angemessener«, und damit den anderen möglichen Feind für sich gewonnen hatte, lehnte er den Fahrstuhl ab. Dieser auf und ab fahrende Käfig war ihm nicht geheuer. Das Kabel könnte reißen, und über das Leben danach hatte er so seine Zweifel.
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»Herrlich, dieser Luxuskaffee, er hat mir die Seele gestärkt«, sagte Saltiel, und goss sich eine zweite Tasse ein, genoss den Duft und schlürfte ihn mit den leisen für den Genuss unerlässlichen Geräuschen. »Das Tablett, die beiden Kannen und die Löffel sind aus Silber, das sehe ich an den Stempeln, wahrlich, gelobt sei Gott. Ach, wenn deine arme Mutter dich inmitten all dieses Silbers sehen könnte! Übrigens habe ich ganz vergessen, dir zu erzählen, dass wir nach unserem Besuch im vorigen Jahr, nachdem wir dich verlassen hatten, auf einen Berg namens Salève, ganz in der Nähe von Genf, gestiegen sind, es war Eisenbeißers Idee, stell dir vor. Achthundert Meter Höhe! Tiefe Schluchten, mein Kind, und Kühe in Freiheit! Mit Hörnern von einem Meter Länge, ohne Übertreibung! Und mit Blicken von unglaublicher Dummheit und Gefühllosigkeit! All diese Christenmenschen, die bezahlen, um sich in den Bergen aufspießen zu lassen, zu erfrieren und völlig erschöpft über große Steine zu stolpern, das geht über meinen Verstand! Ja, ich nehme gerne noch eine Tasse Kaffee, denn es ist ja noch welcher da, und wozu soll man ihn übrig lassen, sie lassen dich teuer genug dafür bezahlen. Danke, mein Sohn, der Herr behüte dich und sei dir gnädig. Ach, mein Sohn, was für ein Glück, dich in Genf zu wissen, dieser kleinen, aber großherzigen Republik, der Heimat des Roten Kreuzes und der Güte! Was für ein Unterschied zu Deutschland! Übrigens stell dir vor, gestern Nachmittag
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