Die Schöne des Herrn (German Edition)
saugte Spucke ein, was höchst vornehm klang.) Und jetzt zieh dir deinen Smoking an, damit es im letzten Augenblick keine Überraschungen gibt, das wird dich beschäftigen. Ich habe ihn dir weiter machen lassen, da mein lieber Vater ja keinen Bauch hatte. (Der kleine Seehund schlurfte lautlos und niedergeschlagen auf seinen Filzsohlen aus dem Zimmer. Sie wandte sich ihrem Didi zu.) Siehst du, so ging es den ganzen Vormittag. Also, mein Schatz, was war das für eine Idee?«
»Es geht um folgendes«, verkündete er, erhob sich, um die Bedeutung seiner Idee zu unterstreichen, und stellte sich mit den Fäusten in den Hüften in der Art des italienischen Diktators vor sie hin. »Es geht also um folgendes. Der Champagner ist gut, sehr gut sogar, aber schließlich wird er darüber entscheiden. Aber über eins entscheide ich, und das ist der Kaviar! (Er fühlte sich bewundert, schob das Kinn vor und blähte die Nüstern.) Kaviar!«, rief er lyrisch aus. »Kaviar ist das Nonplusultra der teuersten Gerichte! (Er deklamierte:) Es wird Kaviar geben bei dem Diner, das Herr Adrien Deume, Mitglied der Sektion A, heute Abend zu Ehren seines Vorgesetzten, des Herrn Untergeneralsekretärs des Völkerbundes, gibt!«
»Aber das ist doch furchtbar teuer!«, wandte sie ein, ganz schwaches Weib vor dem geliebten Mann.
»Ist mir völlig egal! Das sind mir die freundschaftlichen Beziehungen zum U.G.S. wert! Und außerdem entspricht es jetzt unserer gesellschaftlichen Stellung! Sei beruhigt, es ist gut angelegtes Geld!«
»Aber wir fangen doch mit einer Hummersuppe an! Das ist doch auch Fisch!«
»Ist mir egal! Wir streichen die Hummersuppe! Neben Kaviar ist Hummersuppe reinste Kacke! Kaviar ist das Feinste, was es gibt! Toast, Butter, Zitrone! Und Kaviar in rauhen Mengen! Noch ein bisschen Kaviar, Herr Untergeneralsekretär? Schließlich empfängt man nicht jeden Tag den wichtigsten Mann nach Sir John!«
»Aber Schatz, danach gibt es doch Hummer Sermidor.«
»Thermidor«, berichtigte er.
»Ich dachte, im Englischen …«
»Thermidor kommt von altgriechisch
thermos
, Wärme, und
doron
, Gabe oder Geschenk. Pass auf, Mammi, und sage heute Abend nicht etwa Sermidor vor unserem Gast!«
»Das sind aber zu viele Meeresprodukte hintereinander.«
»Kaviar ist nie zu viel! Nein, nein, ich bestehe darauf! Da bin ich eisern! Kaviar, Kaviar und nochmals Kaviar! Ich werde den Kaviar nicht einem läppischen Hummer opfern! Verstehst du, Mammi, bei großen Diners isst man sehr wenig von allem. Ein paar Löffel Suppe, ein Happen Hummer. Lass mich nur machen! Der Kaviar wird einen Rieseneindruck machen! Wenn sich jemand damit auskennt, dann ich! Und wenn er keine Lust auf Hummer hat, wird er ihn eben nicht nehmen! Um ihm zu zeigen, dass ich mir dessen bewusst bin, werde ich einen kleinen Scherz einflechten. ›Unser Menü ist vielleicht ein bisschen zu sehr aus dem vollen Meer gegriffen, Herr Untergeneralsekretär.‹ Nun ja, ich werde mir schon was einfallen lassen. Aber Kaviar, Kaviar! Und keinen gepressten, und keinen schwarzen, verdammt noch mal! Frischen, grauen, geradewegs von Stalin!«
Er ging erregt im Zimmer auf und ab, die Hände auf der Weste, hell begeistert und ganz von dem Gott Kaviar besessen.
»Ich glaube, Papi ruft mich. Eine Sekunde, mein Liebling, ich bin gleich wieder zurück.«
Im Flur blickte sie zu ihrem Mann empor, der über dem Treppengeländer lehnte, und fragte ihn mit tödlicher Sanftheit, was er wünsche.
»Ssätzchen, es tut mir leid, dich zu sstören. Ich verssteh ja, dass du mir nicht sagen willst, was es heute Abend zu essen gibt, weil du mich überrassen willst, aber eins möchte ich doch zu gerne wissen, nämlich ob es Suppe gibt.«
»Nein. Man serviert keine Suppe bei einem Diner nur für geladene Gäste. (Sie hatte diesen Ausdruck gestern während eines Gesprächs mit Adrien gelernt, der ihn wiederum vor kurzem bei den Kanakis aufgeschnappt hatte.) Aber jetzt habe ich noch ein paar wichtige Dinge mit Didi zu besprechen und brauche vor allem Ruhe wegen meiner schrecklichen Kopfschmerzen. Hast du sonst noch Fragen?«
»Nein, danke«, erwiderte Herr Deume betrübt.
»Dann geh wieder hinauf und versuch dich mit etwas Nützlichem zu beschäftigen.«
Der kleine Alte stieg langsam die Treppe hinauf und suchte Trost auf der Toilette im ersten Stock. Ohne irgendwelche weiteren Absichten setzte er sich auf die gepolsterte Brille, faltete ein Blatt Toilettenpapier zu einem kleinen japanischen Fächer und wedelte
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