Die Schöne des Herrn (German Edition)
sondern griechisch, aus der französischen Revolution. Ich hoffe, du wirst vor unserem Gast nicht Sermidor sagen.«
»Und was ist es?«
»Ein sehr kompliziertes Gericht. Es wurde beim Diner für seine Majestät den König von England im königlichen Schloss in Laeken serviert. Hör zu, ich habe wirklich zu viel zu tun, um dir die Rezepte all dieser Gerichte zu erklären.«
»Dann nur noch eins. Dieser Kaviar, wie isst man den?«
»Du brauchst nur zu schauen, wie unser Gast es macht und ich natürlich auch. Ich habe jetzt keine Zeit, es dir zu erklären.«
»Bitte, noch eine letzte Sache. Wie sitzen wir bei Tis?«
Sie öffnete eine Schublade und nahm feierlich fünf kleine Kärtchen heraus.
»Noch eine Überraschung für Didi. Siehst du, wo ich schon mal dabei war, habe ich auch noch Kärtchen mit unseren Namen drucken lassen. Nachher, wenn der Tisch gedeckt ist, werde ich sie gemäß der Rangordnung placieren.« (Sie genoss diese letzten Worte wie ein Bonbon und saugte vornehm Spucke ein.)
»Aber für diesen Herrn ssteht nur Untergeneralsekretär da? Warum?«
»Weil es so korrekter ist.«
»Und wo werden wir ihn hinsetzen?«
»Auf den Ehrenplatz.«
»Und wo ist der?«
»Immer zur Rechten der Dame des Hauses. Das weiß jeder, der zu einem gewissen Mijöh gehört. (Erneutes Saugen von Spucke.) Er wird also zu meiner Rechten sitzen. Du zu meiner Linken, das ist der zweite Ehrenplatz. Ariane neben ihm, da sie ja Adriens Frau ist. Das heißt, falls die Prinzessin sich bequemt herunterzukommen, sonst geht es auch ohne sie. Adrien und ich, wir kümmern uns um die Konversation. Und Adrien sitzt neben dir.«
»Weißt du, dieser zweite Ehrenplatz ist mir eigentlich egal. Denn dann sitze ich diesem Herrn gegenüber und bin gezwungen, mit ihm zu reden. Nimm Adrien auf deine linke Seite, dann wird er mit seinem Ssef reden, weil er ihm gegenübersitzt.«
»Nein, dem Alter nach hast du das Recht auf den zweiten Ehrenplatz, das ist so, und das bleibt so, und damit basta. So, jetzt bist du wohl über alles informiert.«
»Hör mal, in meinem Buch ssteht, dass der Suppenteller …«
»Wir essen Potage.«
»… dass der Teller immer nur halb voll sein soll.«
»Ich weiß, ich weiß, mein Freund«, sagte Frau Deume und merkte sich sofort diesen nützlichen Hinweis. »Und jetzt möchte ich etwas allein sein«, fügte sie verschämt hinzu.
Er verstand, dass sie beten wollte, und ging hinaus. In seiner Bodenkammer nahm er sich wieder seinen Leitfaden für gutes Benehmen vor. Plötzlich erbleichte er, denn die mondäne Art, Spargel zu essen, war schrecklich! Einfach entsetzlich, man musste sie mit einer Zange greifen, die mit drei festen Ringen versehen war, durch die man die drei ersten Finger der Hand stecken musste! Er ging hinunter und horchte an der Tür des Salons. Kein Geräusch. Sicher betete sie noch. Er beschloss zu warten, ging fiebrigen Schrittes auf dem Flur auf und ab und blickte immer wieder auf seine dicke Taschenuhr. Nach der zehnten Minute fand er, sie habe Zeit genug gehabt, alles zu sagen, und außerdem brauche Gott nicht so viele Erklärungen. Nicht sehr beherzt klopfte er an die Tür und traute sich sogar, den Kopf hindurchzustecken. Vor dem Sofa kniend, drehte sie sich erschreckt um, wie eine Jungfrau, die man im Bade überrascht.
»Was ist denn nun wieder los?«, seufzte sie leicht märtyrerhaft, aber noch zu nahe bei Gott, um diesen gewaltsamen Einbruch in ihre zarteste Intimität nicht zu verzeihen.
»Tut mir wirklich leid, aber hör mal, wir brauchen Zangen für die Sspargel!«
Sie stützte sich auf das Sofa und erhob sich langsam, als trennte sie sich mit Bedauern von einem heimlichen Stelldichein. Sie drehte sich um und richtete einen Blick auf ihn, der noch vom himmlischen Glanz verklärt war.
»Ich weiß, lieber Freund«, sagte sie mit sanfter Engelsgeduld. »Bei den Diners der van Meulebekes, alter belgischer Adel, mit denen ich vor meiner Ehe sehr befreundet war, pflegten wir Spargel mit Zangen zu essen. (Wehmütig gedachte sie ihrer glanzvollen Vergangenheit.) Ich habe vorgestern ein halbes Dutzend gekauft.«
»Du denkst an alles, Ssatz. Das Dumme ist nur, dass ich nicht weiß, wie man mit diesen verdammten Zangen umgeht.«
»Hippolyte, willst du gefälligst nicht fluchen?«
»Ich werde besstimmt die falssen Finger in die Ringe sstecken, ich weiß sson jetzt nicht mehr, welche Finger wo reingehören.«
»Du wirst eben aufpassen, wie ich es mache«, sagte sie mit dem strahlenden
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