Die Schöne des Herrn (German Edition)
gewöhnen, mondän zu sein.
Um sieben Uhr siebenundzwanzig, als das Bild gerade aufgehängt war, klingelte es an der Eingangstür, und Frau Deume fuhr dermaßen zusammen, dass Martha zu Boden stürzte, während sich hinten im Flur ein Brüllen aus dem Telefonhörer vernehmen ließ, mit dem die Telefonzentrale dem Teilnehmer wütend Vorwürfe machte, weil er den Hörer nicht aufgelegt hatte. Herr Deume hob Martha auf, deren Nase blutete, während Adrien in aller Eile Stuhl und Schemel an ihren Platz zurückstellte, es an der Tür immer ungeduldiger klingelte, es aus dem Hörer muhte und blökte und sich der Oberkellner und der Koch von Rossi in der Küche vor Lachen auf die Schenkel schlugen.
»Siehst du, er kommt doch zu früh!«, flüsterte Frau Deume. »Schnäuzen Sie sich doch, Sie dumme Gans, Sie bluten!«, zischte sie der verstörten Martha zu, die sich sogleich umdrehte und in das Taschentuch, das ihr gereicht worden war, Blut schnaubte. »So, das genügt, es blutet nicht mehr! Ziehen Sie sich schnell eine andere Schürze an, die hier ist voller Blut! Eine andere Schürze! Und lächeln Sie! Entschuldigen Sie sich für die Verspätung, sagen Sie, es habe einen kleinen Unfall gegeben! Lächeln Sie doch, Sie dumme Gans!«
Die drei Deumes verzogen sich in den Salon, schlossen die Tür, standen klopfenden Herzens da und versuchten ein starres Lächeln aufzusetzen, um so ihre Bereitschaft zu ergebener Hochachtung auszudrücken. »Es war deine Idee, im letzten Moment das Bild aufzuhängen«, flüsterte Frau Deume und bemühte sich wütend, wieder zu lächeln. Die Tür ging auf, aber nur Martha trat ein, mit falsch umgebundener Schürze, und verkündete, es sei bloß die »Eispombe« gewesen. Frau Deume stieß ein erleichtertes »Uff!« aus. Natürlich, die Eisbombe, sie hatte sie ganz vergessen!
»Was stehen Sie hier noch herum? Gehen Sie sich schnell die Nase waschen! Und binden Sie sich gefälligst die Schürze richtig um, nach vorn! Und geben Sie mir mein Taschentuch wieder! Oder nein, tun Sie es in die schmutzige Wäsche, aber nicht in den Korb, sondern in den Sack für die Feinwäsche! Und jetzt verschwinden Sie und bringen Sie Ihre Frisur in Ordnung! Wirklich, Adrien, du und deine Ideen! Dieses Bild im letzten Moment! Na ja, es hätte schlimmer kommen können. Ein Glück, dass sie sich kein Bein gebrochen hat, das hätte uns gerade noch gefehlt, dass dieses Mädchen einen Unfall hat und wir ihr das Krankenhaus bezahlen müssen. Wie spät?«
»Sieben Uhr neunundzwanzig.«
»In einer Minute«, sagte Herr Deume mit zugeschnürter Kehle.
Frau Deume betrachtete prüfend ihre beiden Männer. Hatten sie sich während des kleinen Vorfalls beschmutzt? Nein, Gott sei Dank. Herr Deume starb fast vor Angst. Er war sicher, sich zu versprechen, wenn Adrien ihn vorstellen würde und er sagen müsste, er sei erfreut. Und außerdem waren die Angaben in dem Benimmbuch hinsichtlich der Fürsten und hohen Persönlichkeiten überhaupt nicht klar, denn da stand, dass man sie bei einer Einladung immer auf den Platz des Hausherrn setzen müsse. Dieser Herr war doch eine hohe Persönlichkeit, und deswegen sollte man ihn vielleicht doch nicht zur Rechten Antoinettes setzen. Und dann die Konversation bei Tisch. In dem Buch stand, man dürfe niemals über Politik reden, das geeignete Thema sei die Literatur. Das war ja sehr hübsch, aber von Literatur verstand er rein gar nichts, und die Politik sollte diesen Herrn doch eigentlich interessieren, bei seinem Beruf. Nun ja, wenn man von Literatur sprechen würde, würde er zuhören und mit dem Kopf nicken. Und Antoinette? Kannte sie sich eigentlich in Literatur aus? Na ja, es blieben ja noch Didi und Ariane.
Die drei standen da und hatten nicht den Mut, sich zu setzen und sich normal zu verhalten. Sie warteten schweigend, in künstlich erzwungener Anmut. Die Minuten verstrichen, aber das Lächeln blieb. Schließlich fragte Frau Deume, wie spät es sei.
»Neununddreißig«, erwiderte Adrien. »Sowie er klingelt«, fügte er steif, mit kaum vernehmlicher Stimme und kaum die Lippen bewegend, hinzu, »zähle ich bis fünfzehn, um Martha Zeit zu lassen, ihm zu öffnen und den Hut abzunehmen. Dann gehe ich hinaus und empfange ihn, das ist höflicher. Ihr beiden bleibt im Salon.«
»Du stellst ihn mir zuerst vor, denn als Frau bin ich höhergestellt«, flüsterte Frau Deume steif und unnatürlich.
»Warum soll er ihn dir vorsstellen?«, entgegnete Herr Deume ebenso steif, nur die Lippen
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