Die schöne Diebin
gefürchtet, sie würde, nur um ihn zu ärgern, einen ganzen Ballen Flanell kaufen. Da sie offenbar gar nichts erstanden hatte, kam er zu dem Schluss, dass sie wohl etwas im Auftrag der Katze erledigt hatte. Wenn er doch nur wüsste, was!
„Um Himmels willen“, rief sie in diesem Moment aus, „ist es wirklich schon so spät? Ich habe Mrs. Bradley und ihren Töchtern versprochen, mich mit ihnen zum Tee zu treffen. Ach, ich kann es kaum erwarten, ihnen von dem interessanten Tag zu berichten, den ich mit Ihnen verleben durfte, Mylord. Vielen Dank für alles. Und Auf Wiedersehen!“
Einen Moment lang war er sprachlos. Dann erklärte er: „Eine heiße Tasse Tee wäre jetzt genau das Richtige. Gestatten Sie, dass ich Sie begleite.“
Sie senkte den Blick, wahrscheinlich, damit er nicht sah, wie sehr sein Angebot sie ärgerte. Doch es gab keine höfliche Möglichkeit, abzulehnen. Zufrieden sagte Brandon sich, dass er einen Sieg errungen hatte.
Es war, wie sich bald herausstellen sollte, ein schaler Sieg. Eine Stunde in Gesellschaft von Alice Bradley und ihren Töchtern zu verbringen, war – wie Brandon rasch feststellen sollte – eine harte Prüfung. Mit großer Erleichterung verabschiedete er sich schließlich von den Damen und kehrte nach Hause zurück.
Um sich aufzuwärmen, ließ er sich ein heißes Bad richten. Und während er sich genüsslich in dem warmen Wasser rekelte, dachte er über das nach, was er mit Miss Habersham erlebt hatte. Irgendetwas an ihrem Verhalten hatte die ganze Zeit über sein Misstrauen erregt, ohne dass er genau zu sagen vermocht hätte, was es war.
Jetzt plötzlich wusste er es: Sie hatte in Manchester Lebensmittel kauft, die sie in Stockport-on-the-Medlock preisgünstiger hätte bekommen können. Und das, obwohl sie doch selbst gesagt hatte, sie würde in beschränkten Verhältnissen leben!
Für dieses seltsame Verhalten musste es einen Grund geben.
Brandon versuchte, sich möglichst genau an das zu erinnern, worüber sie mit den verschiedenen Ladeninhabern und Verkäuferinnen gesprochen hatte. Die Zubereitung von Soßen, die Vorteile von Weizen- gegenüber Roggenbrötchen, die angenehme Wärme von Flanell … Es ergab keinen Sinn.
Er seufzte auf und schloss die Augen. In Gedanken sah er Miss Habersham vor sich, wie sie ihr Retikül öffnete, um Geld herauszuholen. Wie sie bezahlte. Wie sie kein einziges Mal Wechselgeld zurückerhielt.
Verflixt, das war es! Sie hatte überall mehr bezahlt, als die Waren kosteten. Sie hatte – dessen war er sich plötzlich ganz sicher – Geschäfte für The Cat erledigt.
Eine neue Idee formte sich in seinem Kopf. Miss Habersham war nicht die, die sie zu sein vorgab. Sie war jünger, gewitzter und kampflustiger, als all jene annahmen, die sie für eine schüchterne alte Jungfer hielten.
War sie The Cat?
Mit einem wohligen Seufzer ließ Brandon sich tiefer ins warme Wasser sinken und schwor sich, das Geheimnis der Katze zu lüften!
5. KAPITEL
Während alle sich bestens zu amüsieren schienen, schaute Brandon sich immer wieder unauffällig im Saal um. Der Weihnachtsball des Squires würde bald seinen Höhepunkt erreichen. Es duftete nach Tannenzweigen und Kerzenwachs. Junge Paare küssten sich unter den an verschiedenen günstigen Stellen aufgehängten Mistelzweigen. Auf der Tanzfläche drängten sich Damen in modischen Abendroben und elegant gekleidete Gentlemen. Viele waren maskiert.
In einem anderen Raum war das Buffet aufgebaut. Mehrere Tische bogen sich unter Schüsseln und Platten voll mit süßen und herzhaften Köstlichkeiten. Wein und andere Getränke im Überfluss standen bereit. Für dieses Fest war an nichts gespart worden. Unbeschwert und fröhlich wurde gefeiert, doch gleichzeitig war eine gewisse Erregung zu verspüren. Alle schienen gespannt auf etwas zu warten.
Brandon stand an eine Säule gelehnt und beobachtete die Gäste. Er wusste, dass die Aufregung der meisten Anwesenden nur auf das bevorstehende Weihnachtsfest zurückzuführen war. Er selbst allerdings war aus einem anderen Grund unruhig, ja, innerlich aufgewühlt. Er würde The Cat wiedersehen. Sie hatte versprochen, ihm an diesem Abend seinen Ring zurückzugeben.
Die als Gegenleistung geforderten dreihundert Pfund hatte Brandon in die Innentasche seines Rocks gesteckt. Dabei beabsichtigte er keineswegs, sich von dem Geld zu trennen. Sein Plan war, The Cat in einen abgelegenen Raum zu locken, wo er sich den Ring geben lassen wollte. Die Pfundnoten waren lediglich
Weitere Kostenlose Bücher