Die schöne Diebin
dumm, mich auf diese Wette einzulassen! Fast hätte er laut geseufzt. Wie ähnlich Nora und ich uns sind … Ich bin sicher, sie ist, genau wie ich, aus Neugier herge kommen. Ich hoffe nur, dass ihr das nicht zum Verhängnis wird!
Nora schritt über den Tisch und blieb vor St. John stehen. Während sie in der rechten Hand weiterhin eine ihrer Pistolen hielt, hatte sie in der linken plötzlich einen schwarzen Beutel. „Hier hinein kommen das Bargeld, die Uhren und der Schmuck, den Sie und Ihre Gäste tragen“, erklärte sie. „Sie beginnen und geben den Beutel dann weiter.“
St. John war zu schockiert, um etwas darauf zu erwidern. Gehorsam löste er seine mit einem Rubin besetzte Krawattennadel und warf sie in den Beutel.
Mr. Flack, sein Nachbar zur Linken, hingegen wollte den Helden spielen. „Hören Sie, Sie Bastard“, schrie er The Cat an, „was bilden Sie sich eigentlich ein? Sie können uns keine Befehle erteilen!“
Der Eindringling richtete die Pistole auf ihn, und alle hörten, wie er den Hahn spannte. „Ach, kann ich das nicht?“
„Verflucht, St. John!“ Flack wandte sich jetzt dem Gastgeber zu. „Rufen Sie endlich Ihre Leute!“
Mit der Fußspitze stieß Nora ein Glas Rotwein um. Die Flüssigkeit hinterließ einen hässlichen Fleck auf der weißen Tischdecke, und einige Spritzer verunzierten Flacks Hemd.
„Besser Wein als Blut, finden Sie nicht?“, sagte The Cat zu dem uneinsichtigen Gentleman. „Wenn sich noch einmal jemand meinen Befehlen widersetzt, werde ich abdrücken. Sie brauchen übrigens nicht auf die Unterstützung des Personals zu hoffen. Ich habe dafür gesorgt, dass die Dienerschaft längst tief und fest schläft.“ Damit, so hoffte sie, hatte sie nicht nur Flack, sondern auch die anderen ausreichend eingeschüchtert. Es lag wirklich nicht in ihrer Absicht zu schießen. Aber notfalls würde sie irgendwem eine Schulterwunde zufügen. Vorsichtshalber nahm sie die zweite Pistole auch wieder in die Hand.
Die Frauen warfen ihren Ehemännern vielsagende Blicke zu. Sie zumindest wollten jedes Blutvergießen vermeiden und hofften, dass alle Anwesenden dem Befehl des Einbrechers nachkamen. Ringe, Broschen, etwas Geld und mehrere Taschenuhren fanden ihren Weg in den Beutel, der schließlich Brandon erreichte.
Nora versuchte, ihm in die Augen zu schauen. Bitte, verrat mich nicht. Es wäre schrecklich, wenn ich auf dich schießen müsste!
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. Dann sah sie, wie eine Veränderung mit ihm vorging. Er hatte Angst. Aber warum?
Gerade noch rechtzeitig begriff sie. Er hatte Angst um sie. Jemand in ihrem Rücken war im Begriff, eine Dummheit zu begehen. Sie fuhr herum.
Es war Witherspoon, der kochend vor Zorn, weil sein Plan zu scheitern drohte, nach der kleinen Pistole gegriffen hatte, die er immer bei sich trug. „Waffe runter!“, schrie er.
Sie lachte heiser. „Es wäre klüger, wenn Sie die Pistole fallen ließen.“
„Ich habe keine Angst vor Ihnen. Sie würden es nicht wagen, mich oder einen der anderen Gentlemen zu verletzen!“
„Sind Sie sich da ganz sicher? Was werden Sie tun, wenn ich beispielsweise den Earl bedrohe? Möchten Sie sein Leben aufs Spiel setzen?“ Sie richtete die Waffe auf Brandon. Dabei verfluchte sie innerlich die Sitzordnung. Stockport hatte genau den Platz inne, der am nächsten zur Terrassentür lag. Er versperrte ihr den Fluchtweg. Zudem hielt er noch immer den schwarzen Beutel in der Hand.
Noch einmal ging sie in Gedanken rasch durch, welche Möglichkeiten ihr blieben. Aufgeben kam nicht infrage! Und Witherspoon schien zu allem entschlossen. Also musste sie entweder schießen – oder den Earl als Geisel nehmen.
Sie begann, Befehle zu geben, während die Damen spitze Schreie ausstießen, so schrecklich war ihnen die Vorstellung, dem einzigen Adligen am Tisch könne etwas zustoßen.
„Mylord, stehen Sie auf und gehen Sie ganz langsam rückwärts zur Terrassentür. Den Beutel halten Sie schön fest! Machen Sie keinen Versuch zu fliehen. Das gilt auch für alle anderen! Keine Dummheiten! Ich werde nicht zögern zu schießen. Wenn mir jemand folgt, muss ich den Earl töten. Und das möchte doch sicher niemand. Also, Sie rühren sich zehn Minuten lang nicht vom Fleck!“
Erleichtert stellte sie fest, dass niemand, nicht einmal Witherspoon, es wagte, sich ihren Anweisungen zu widersetzen. Alle schienen um Stockports Leben zu fürchten. Der Earl selbst ging gehorsam auf die Terrassentür zu.
The Cat sprang zu
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