Die schöne Diebin
Boden, zielte und schoss auf den Kristalllüster, der mit lautem Klirren auf dem Tisch landete. Porzellan zerschellte, Gläser fielen um, Frauen schrien, Kellner rannten durcheinander. Chaos brach aus.
Mit heftig klopfendem Herzen folgte Nora dem Earl hinaus in den Garten.
„Und jetzt?“, fragte Brandon, nachdem er mit Nora durch den Garten geeilt und nach ihr durch das offene Tor auf die Straße getreten war.
„Jetzt verschwinden wir so schnell wie möglich.“ Sie steckte die Pistolen in den Gürtel. „Ich glaube nämlich nicht, dass diese Dummköpfe tatsächlich zehn Minuten warten, ehe sie sich an die Verfolgung machen. Kommen Sie! Da vorn ist mein Pferd angebunden.“
Sie lief los, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen. Anscheinend kam es ihr nicht in den Sinn, dass der Earl ihr nicht folgen könnte.
Noras Überzeugung, er würde sich bereitwillig ihren Wünschen unterordnen und die Rolle der Geisel weiterspielen, brachte Brandon fast zur Weißglut. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so wütend gewesen zu sein. War es ihr völlig gleichgültig, welches Wechselbad der Gefühle er durchlitten hatte, während er bei St. John auf ihr Erscheinen wartete und während sie dann ihren dramatischen Auftritt auf dem Esszimmertisch absolvierte? Interessierte es sie gar nicht, was geschehen würde, wenn jemand herausfand, dass er ihr geholfen hatte?
Trotz seines Zorns und seiner Entrüstung rannte er, den Beutel mit den erpressten Schmuckstücken, Geldscheinen und Taschenuhren fest in der Hand haltend, hinter ihr her.
Bei Jupiter, ich war krank vor Sorge um sie! Und sie verschwendet keinen Gedanken daran, dass ich mehr als meinen guten Ruf verliere, wenn irgendwer meine Rolle in diesem Spiel durchschaut. Ich wäre gesellschaftlich und finanziell ruiniert! Zum Teufel mit ihr! Jack wird sich vor Lachen krümmen, wenn ich meine Wettschulden bei ihm be zahle und ihm erzähle, was geschehen ist! Das Ganze muss ein Ende haben!
Sie erreichten die Stelle, wo das Pferd wartete, und Nora begann, es loszubinden. Doch ehe sie fertig war, griff Brandon nach ihrem Arm und zwang sie, sich zu ihm umzudrehen. „Hör zu, du kleines Biest. Ich bin nicht bereit, dieses Theater noch länger mitzumachen. Gegen besseres Wissen habe ich dir geholfen, diesen Streich durchzuführen. Jetzt bist du mir etwas schuldig.“
„Erwarten Sie einen Kuss als Dank?“, gab sie zurück. „Oder vielleicht eine Einladung in mein Bett?“ Ein spöttisches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. „Mylord, wenn ich Ihnen jemals etwas schuldig war, so habe ich meine Schuld schon längst abgetragen. Ich hätte auf Sie schießen können. Dann wäre mir bestimmt niemand gefolgt, denn alle wären damit beschäftigt gewesen, sich um den einflussreichen, ach so wichtigen Earl of Stockport zu kümmern.“
Ihre Worte ließen seinen Zorn erneut auflodern. „Dummkopf!“, schimpfte er und setzte zu einer längeren Strafpredigt an. Doch dann, als er sah, wie ihre Augen aufblitzten, zog er sie plötzlich an sich und gab ihr einen Kuss, der sie deutlich spüren ließ, wer der Stärkere war.
Zuerst war sie so überrascht, dass sie es einfach geschehen ließ. Dann biss sie ihn in die Lippe. Er zwängte seine Zunge in ihren Mund. Sie setzte mit ihrer Zunge dagegen. Es war ein Duell der besonderen Art. Ein leidenschaftliches Duell, das damit endete, dass beide nach Luft rangen.
„Wie können Sie es wagen!“, stieß Nora hervor.
Er hatte schon eine hitzige Erwiderung auf den Lippen, als er ein Stück entfernt die schwankenden Lichter von Laternen entdeckte. „Sei endlich vernünftig, Nora“, zischte er und wies in die Richtung, aus der die Verfolger sich näherten.
„Verflixt! Am besten bleiben Sie hier, während ich mich aus dem Staub mache.“
„Nein. Diesmal bestimme ich, wie wir weiter vorgehen.“
Er kniete sich hin und begann, sich überall mit Lehm zu beschmieren. Dann zerriss er sein Hemd. „Ich werde jetzt zurückgehen und behaupten, dass ich der Katze entkommen bin. Ich werde verlangen, dass man meine Wunde verbindet. Dadurch gewinnst du Zeit. Du wirst nach Stockport Hall reiten und dort auf mich warten. Wir sind noch nicht fertig miteinander!“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Du kannst dich nicht weigern. Denn wenn du mir nicht gehorchst, werde ich selbst die Jagd auf dich eröffnen. Ich glaube kaum, dass es Eleanor Habersham gefallen wird, wenn man ihr Haus durchsucht.“
Nora war blass geworden.
„Gib mir deinen
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