Die schöne Diebin
um Verzeihung bitten. Aber …“, mit einem kleinen Lächeln hob sie tadelnd den Zeigefinger, „… ich dachte, du hättest es inzwischen allen gesagt.“ Sie wandte sich den anderen zu. „Ehe Lord Stockport von London fortgerufen wurde, sind wir übereingekommen, bald zu heiraten. Ich bin seine Braut, Nora Hammersmith.“
Brandon spürte, wie seine Gesichtszüge zur Maske erstarrten. Diesmal ist sie zu weit gegangen! Und dann: Ist Hammersmith ihr wirklicher Name, oder hat sie sich ihn eben erst ausgedacht?
Als Nächstes stellte er schockiert fest, dass er eigentlich nichts gegen ihre Ankündigung einzuwenden hatte. Natürlich war es unmöglich, dieses Spiel bis zum Ende durchzuhalten. Wusste sie eigentlich, was es alles zu regeln gab, wenn ein Earl heiratete? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls schien ihr nicht klar zu sein, dass die Verlobte eines Adligen sich nicht ohne Anstandsdame in seinem Haus aufhalten würde. Zudem warf ihre Kleidung – oder besser der Mangel daran – ein recht seltsames Licht auf ihre und ebenso auf seine Moral. Jeder, der sie so sah, würde vermuten, sie hätten die Hochzeitsnacht vorweggenommen. Es würde sehr schwer sein, eine Verlobung zu lösen, die offensichtlich bereits zu Intimitäten geführt hatte.
Nora schaute lächelnd zu ihm auf – und errötete plötzlich. Sie war klug genug, so zu tun, als würde ihr plötzlich bewusst, dass sie sich undamenhaft verhalten hatte. Sie hielt den Morgenmantel mit der einen Hand vor der Brust zusammen und sagte beschämt: „Meine Herrn, es tut mir so leid, dass ich mich vor Sorge um meinen Bräutigam unpassend benommen habe. Ich bin ein einfaches Mädchen und habe wohl alles, was man mir beigebracht hat, vergessen, als ich sah, dass Lord Stockport verwundet ist. Bitte, vergeben Sie mir mein würdeloses Auftreten.“ Sie lächelte ihnen zu und wandte sich zum Gehen.
Brandon beobachtete gespannt, wie die fünf Gentlemen auf Noras Worte reagierten. Er hätte keine Befürchtungen zu hegen brauchen. Mit ihrer Geschichte hatte sie alle überzeugt. Flack war der Erste, der ihm zur Verlobung gratulierte. Die anderen folgten. St. John gab ihm sogar einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Witherspoon sagte, dass jeder Gentleman, der eine so schöne und fürsorgliche Braut fand, sich glücklich schätzen konnte. Squire Bradley machte ihm scherzhaft Vorwürfe, weil er sein Geheimnis so lange bewahrt hatte.
Dann verbeugten die Herren sich vor Nora, die sich mit ein paar freundlichen Abschiedsworten zurückzog. Wenig später gelang es Brandon endlich, seine Gäste zur Tür zu begleiten. Es beunruhigte ihn ein wenig, dass die Gentlemen ihm versichert hatten, ihre Gattinnen würden seiner bezaubernden Verlobten am nächsten Tag einen Besuch abstatten. Zwar hatte er eingewendet, Miss Hammersmith müsse sich erst von der Reise erholen. Aber es war offensichtlich, dass niemand glaubte, Nora könne zu erschöpft sein, um Gäste zu empfangen.
Er beschloss, sich am kommenden Morgen mit der Lösung der verschiedenen Probleme zu beschäftigen, und begab sich ins Schlafzimmer.
Kaum hatte er die Tür geöffnet, als die Katze ihn anschrie: „So also beschützen Sie mich! Eine schöne Sicherheit ist das!“ Sie warf ihm ein Kissen an den Kopf. „Was hätten Sie getan, wenn ich die Situation nicht gerettet hätte?“
Ja, was eigentlich? Er bemühte sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck. Was nicht leicht war, denn ihm wurde es plötzlich ganz heiß. Das musste daran liegen, dass der Morgenmantel jetzt ziemlich viel von Noras hinreißend weiblichem Körper preisgab.
„Zu meiner Entschuldigung kann ich nur vorbringen, dass ich davon überzeugt war, die Gentlemen dazu bewegen zu können, sich auf die Untersuchung meines Grundstücks zu beschränken. Sie waren fest entschlossen, mich nach Hause zu begleiten. Ich sah keine Möglichkeit, dieses freundliche Anerbieten abzulehnen. Was alles Weitere betrifft …“ Er zuckte die Schultern. „Nicht ich habe behauptet, wir seien verlobt.“
„Aber eine bessere Geschichte wäre Ihnen auch nicht eingefallen.“
„Vielleicht doch … Weißt du eigentlich, was zur Hochzeit eines Earls alles dazugehört? Eine Verlobung ist schon eine komplizierte Angelegenheit. Und die dann aufzulösen …“ Mit allen Anzeichen der Besorgnis schüttelte er den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie du dich da herauswinden willst. Mir scheint, du hast heute gleich mehrere Fehler begangen. Was du bei St. John getan hast,
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