Die schöne Diebin
ihrer Morgenmäntel überzuwerfen, sondern um ihr bei der Auswahl ihres Kleides zu helfen. „Hattest du dich mit Ellie bereits auf eine Abendrobe geeinigt?“
„Natürlich. Aber das ist jetzt unwichtig, denn offenbar weißt du genau, was ich anziehen sollte.“
„Das stimmt.“ Er holte eine grüne mit Gold abgesetzte und nach der neuesten Mode geschnittene Kreation aus dem Schrank, ein Kleid mit einem tiefen, aber nicht zu tiefen Ausschnitt, in dem Nora hinreißend aussehen würde. „Dazu musst du die Smaragde einfach tragen. Und ich werde zufrieden feststellen können, dass ich gewonnen habe.“
„Das täuscht.“ Jetzt lächelte sie. „Ich gebe dir lediglich die Illusion, der Gewinner zu sein.“
„Hm … Du brauchst nicht nach Ellie zu läuten. Ich selbst werde dir helfen.“
„Kannst du das überhaupt?“
„Unterschätz mich nicht! Jack könnte dir einiges über meine Fähigkeiten erzählen. Er weiß, wie ich zu dem Namen Cock of the North gekommen bin.“
Tatsächlich erwies er sich als erstaunlich geschickt. Während Nora sich seinen kundigen Fingern überließ, fiel ihr wieder ein, dass sie ihn wohl bald würde verlassen müssen. Eine große Traurigkeit überkam sie. Um nicht in Tränen auszubrechen, beschloss sie, den Ball zu genießen und nicht an das zu denken, was die weitere Zukunft bringen würde.
Als Stockport und Nora endlich die Eingangshalle von Wildflower, Squire Bradleys Wohnsitz, betraten, waren die meisten Gäste bereits eingetroffen. Der Hausherr begrüßte die Neuankömmlinge mit großer Herzlichkeit und führte sie von einer Gruppe zur anderen. Die meisten der Anwesenden kannten den Earl und hatten voller Neugier darauf gewartet, seine Verlobte zu treffen.
Endlich war der Höflichkeit Genüge getan, und Brandon konnte sich nach Jack umschauen. Schließlich entdeckte er ihn am Eingang zum Ballsaal. Offenbar war er gerade erst angekommen. In seiner mit funkelnden Knöpfen besetzten Weste und dem dunklen Abendfrack sah er aus wie ein Dandy, für den es nichts Wichtigeres auf der Welt gab als die neueste Mode.
Der Eindruck trog. „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte Jack seinen Freund, nachdem er dem Squire und seiner Gattin mit wohlgesetzten Worten für die Einladung gedankt hatte.
Im gleichen Moment sagte der Gastgeber: „Ich würde jetzt gern den Grund der Feier verkünden. Anschließend, so hoffe ich, werden Sie mit Ihrer bezaubernden Verlobten den Tanz eröffnen, Mylord.“
„Könnten Sie die Ankündigung nicht ein paar Minuten verschieben? Ich habe wichtige Dinge mit Stockport zu bereden“, mischte Jack sich ein.
Doch der Squire lachte nur. „Was könnte es Wichtigeres geben als eine Verlobung? Sie wissen sicher, dass wir den Ball zu Ehren von Lord Stockport und seiner Braut geben.“ Dann klatschte er in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich zu ziehen.
Es wurde ruhig im Saal, und Bradley hielt eine kleine Ansprache, von der Brandon allerdings nicht viel mitbekam, weil er zu sehr damit beschäftigt war, Nora zu bewundern. Sie sah wirklich hinreißend aus, und er wünschte, dies wäre tatsächlich ihr Verlobungsball.
Die vermeintliche Braut riss ihn aus seinen Träumen. „Brandon …“, flüsterte sie, „… alle warten darauf, dass du etwas sagst.“
Er nahm ihre Hand und gab ein paar nichtssagende Sätze von sich, für die er mit viel Applaus belohnt wurde. Dann begann das Orchester zu spielen. Die Klänge eines Walzers erfüllten den Raum. Das war ungewöhnlich. Der erste Tanz war im Allgemeinen eine Quadrille. Doch zu Ehren der Verlobten hatten die Musiker eine Ausnahme gemacht.
Brandon zog Nora in die Arme und begann, sie im Takt herumzuwirbeln. Den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet, versuchte er, nicht auf all die Menschen um sich her zu achten. Allerdings konnte er nicht umhin, verschiedene Bemerkungen aufzuschnappen. Offenbar war man der Meinung, dass er und seine Braut wunderbar zusammenpassten und einander vergötterten.
Als die letzten Töne verklangen, wurde Stockport bewusst, dass er Jack tatsächlich ein paar Minuten lang vergessen hatte. Jetzt allerdings würde er endlich mit ihm reden können – und müssen. Er brachte Nora zu einer Gruppe von Damen, die ihr wortreich zur Verlobung gratulierten und sie mit guten Wünschen für die Zukunft überschütteten.
„Bleib bitte noch ein paar Minuten hier, dann fällt meine Abwesenheit nicht so auf“, flüsterte er ihr noch zu, ehe er sich in Richtung der
Weitere Kostenlose Bücher