Die schöne Diebin
Platz, der mit dem Rücken zum Fenster stand. So würden die Besucher sein Gesicht nicht so deutlich sehen, denn tatsächlich war er sich nicht sicher, wie gut er sich in der Gewalt hatte. „Wie ich höre, hat The Cat noch einmal zugeschlagen. Dabei hatte ich gehofft, er hätte Manchester längst den Rücken gekehrt.“
„Er?“, meinte Witherspoon. „Sie wissen ja, dass ich der Überzeugung bin, dass es sich um eine Frau handelt. Nun, jetzt jedenfalls ist sie eindeutig zu weit gegangen. Wir sind fest entschlossen, ihrem Treiben ein Ende zu setzen. Als Erstes werden wir Wachleute einstellen, die sowohl unsere Privathäuser als auch die Fabrik schützen sollen. Außerdem muss systematisch nach der Übeltäterin gesucht werden. Auch die Farmer in den umliegenden Dörfern sollen sich bewaffnen und nach der Katze Ausschau halten.“
„Halten Sie das nicht für ein wenig übertrieben?“ Brandon schaute von einem zum andern. „Und haben Sie bedacht, dass die Farmer meine Pächter sind? Niemand außer mir kann ihnen etwas befehlen. Himmel, es ist absurd, sich auch nur vorzustellen, wie sie mit Mistgabeln bewaffnet auf Verbrecherjagd gehen!“
St. John sah betroffen drein, Witherspoon hingegen erklärte: „Für den Wachdienst habe ich Soldaten engagiert, die im Moment nur ein Ruhegehalt beziehen. Ich rechne damit, dass sie noch heute in Stockport-on-the-Medlock eintreffen.“
„Eine gute Idee“, stellte Brandon, sein Erschrecken verbergend, fest.
„Heute Abend wollen wir uns alle auf die Jagd machen. Werden Sie dabei sein, Stockport?“
Ehe dieser antworten konnte, ertönte aus dem Flur Jacks Stimme: „Selbstverständlich! Stockport würde sich ein solches Abenteuer um nichts in der Welt entgehen lassen – ebenso wenig wie ich selbst.“
„Lord Wainsbridge!“
Jack war eingetreten und wurde von Witherspoon höflich begrüßt. Doch die Blicke des Geschäftsmanns verrieten, was er von der Hilfe des Dandys – von dessen tatsächlichen Fähigkeiten er nichts ahnte – hielt.
„Wunderbar! Dann treffen wir uns später. Jetzt, meine Herrn …“, Jack spielte mit seinen Reithandschuhen aus bestem Leder, „… müssen Stockport und ich unsere Vorbereitungen treffen.“
„Das sollten Sie wohl. Denn heute Nacht könnte Blut fließen.“ St. John erhob sich, und Witherspoon, der bereits an der Tür stand, meinte: „Fühlen Sie sich dem gewachsen, Wainsbridge?“
„Durchaus. Und wie steht es mit Ihnen?“, gab Jack zurück.
Brandon mischte sich ein, ehe ein echter Streit ausbrechen konnte. „Gentlemen, wir sehen uns heute Abend. Ich hoffe sehr, dass uns Erfolg beschieden sein wird.“
„Allerdings!“ Mit einem letzten bösen Blick auf Jack verließ Witherspoon die Bibliothek.
„Ich fürchte“, meinte Jack wenig später, „dass du an eine andere Art von Erfolg denkst als diese Gentlemen.“
Statt zu antworten, begann Brandon zu fluchen. Schließlich stieß er hervor: „Ich hätte nie gedacht, dass diese Leute in der Lage sind, so planvoll vorzugehen.“ Dann berichtete er seinem Freund von den Soldaten, die bezahlt werden sollten, um The Cat ein für alle Mal unschädlich zu machen.
„Dieser Witherspoon ist mir ein Rätsel“, meinte Jack. „Er muss schreckliche Angst um sein Geld haben. Dabei scheint er mir eigentlich nicht der ängstliche Typ zu sein. Ich finde das seltsam.“
„Willst du andeuten, er könne noch andere Interessen haben als die baldige Fertigstellung der Fabrik?“
„Schon möglich. Fest steht jedenfalls, dass er The Cat lieber tot als gefangen sehen möchte. Dafür muss es doch Gründe geben.“
„Wir müssen verhindern, dass Nora ihr Leben verliert!“ Brandon begann, unruhig im Raum auf und ab zu gehen. „Selbst wenn du recht hast und sie während der letzten Wochen nur aus Eigennutz bei mir geblieben ist, selbst wenn sie von Anfang an vorhatte, ihr verbrecherisches Tun wieder aufzunehmen, so könnte ich es doch nicht ertragen, dass sie einfach umgebracht wird. Ich bin in meinem Stolz getroffen, das gebe ich zu. Aber alles, was ich für sie getan habe, habe ich freiwillig getan. Sie hat mich zu nichts gedrängt. Ich halte sie nach wie vor nicht für einen schlechten Menschen.“
Jack gähnte demonstrativ. „Wie kann ein Mann, der gerade von seiner Verlobten sitzen gelassen wurde, nur so vernünftig sein? Bist du denn gar nicht wütend? Macht es dich nicht zornig, dass du in Zukunft auf den besten Sex deines Lebens verzichten musst?“
„Sex ist im Moment meine
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