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Die schöne Diebin

Die schöne Diebin

Titel: Die schöne Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BRONWYN SCOTT
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noch nicht alles verloren! Sie feuchtete die rechte Hand an und begann, an der Lehmwand zu reiben. Ein leichter Schauer überlief sie, als sie ihr Gesicht mit Erde beschmierte. Da die Maske fort war, mussten die Schmutzflecken genügen, um sie unkenntlich zu machen, bis sich eine Gelegenheit zur Flucht bot.
    Hattie und Alfred, auf die sie sich in jeder Situation hatte verlassen können, waren weit fort und wussten nicht, was geschehen war. Von ihnen konnte sie keine Unterstützung erwarten. Ihre ganze Hoffnung ruhte auf Brandon – obwohl es manches gab, was zwischen ihnen stand.
    Wenn ich nicht fliehen kann, wird man mich vor Gericht stellen, das heißt, sofern Witherspoon mich nicht schon vorher aus dem Weg räumt. Wahrscheinlich wird sich die Neuigkeit, dass The Cat gefasst worden ist, rasch verbreiten. Vielleicht werden auch Hattie und Alfred davon erfahren. Aber ich möchte nicht, dass sie sich meinetwegen in Gefahr bringen. Vor allem wäre es mir unerträglich, wenn die Men schen aus den Elendsvierteln von Manchester sich zusammenrotten würden, um mich zu befreien. Viele von ihnen würden verletzt oder sogar getötet werden. O Gott, ich muss eine Lösung für all diese Probleme finden!
    Den Schmerz in ihrer Schulter ignorierend stand Nora auf und begann in dem kleinen Keller herumzuwandern. Das würde die Steifheit aus den Gliedern vertreiben und ihr ihre Beweglichkeit zurückgeben. Außerdem konnte sie so besser überlegen, wie eine Flucht sich bewerkstelligen ließ.
    Sie stellte fest, dass eine einfache Treppe nach oben führte. Sie stieg hinauf und drückte gegen die Falltür. Wie erwartet, war diese von außen verriegelt. Aber wenn es keine Wachen gab, war ein Ausbruch vielleicht dennoch möglich.
    „Hallo!“
    „Ruhe da unten. Das Frühstück kommt gleich“, rief jemand. Und mindestens zwei Männer begannen zu lachen.
    Man ließ sie also bewachen. Nora stieg die Stufen wieder hinab. Würde sie den Männern entkommen können?
    Wenn man ihr etwas zu essen bringen wollte, musste die Falltür geöffnet werden. Und wenn sie sich nur krank genug stellte, würde man wohl auch einen Arzt zu ihr lassen. Sie konnte so tun, als habe das Wundfieber sie erwischt, und ihn überwältigen. Das war kein Problem. An drei Wachen aber war schwer vorbeizukommen.
    In diesem Moment wurde die Falltür aufgerissen, und jemand stellte eine Schüssel mit Brei, etwas trockenes Brot und einen großen Becher mit Wasser auf die oberste Stufe. Nora holte sich alles und begann zu essen. Es schmeckte ihr nicht, aber sie wollte nicht riskieren, ihre Kräfte zu verlieren.
    Nach einer Weile waren von oben wieder Geräusche zu hören. Erneut wurde die Falltür geöffnet. „Ein Besucher!“, rief einer der Wachleute nach unten.
    Nora zog sich in eine Ecke des Kellers zurück. Hoffentlich ist es Brandon!
    „Ich nehme an, Sie sind mit Ihrer Unterkunft zufrieden.“
    Die Stimme war kälter als ein Januarmorgen. Witherspoon! Nora musste ein Zittern unterdrücken. War er gekommen, um sie umzubringen? Nun, sie würde um ihr Leben kämpfen!
    „Wie freundlich von Ihnen, mich in meinem Heim besuchen zu kommen – vor allem, da Sie mir Ihr eigenes Heim schon mehrmals so großzügig zur Verfügung gestellt haben.“
    Witherspoon stand jetzt auf der Treppe, und Nora konnte sehen, dass er Reitkleidung trug. In der einen Hand hielt er eine Reitgerte, in der anderen eine Kerze. „So überheblich wie eh und je“, meinte er spöttisch. „Dabei ist es doch offensichtlich, dass das Blatt sich gewendet hat.“
    Nora antwortete nicht, beobachtete aber jede noch so kleine Bewegung des Besuchers mit größter Aufmerksamkeit. Er kam die restlichen Stufen hinunter und blieb vor dem Tisch stehen. Sorgfältig stellte er die Kerze ab und rief nach oben, dass die Falltür wieder geschlossen werden sollte.
    „Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden, Miss Habersham“, erklärte er. „Nun, wie ich feststellen muss, sind Sie nicht so gekleidet, dass Sie Gäste empfangen können.“
    „Leider muss ich zugeben, dass meine Garderobe zurzeit wenig Auswahl bietet.“
    „Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Ich lege keinen Wert auf Förmlichkeiten. Ich würde sogar vorschlagen, dass Sie dieses blutverschmierte Hemd ausziehen.“
    Das bedeutete Ärger. Immerhin war es eine Erleichterung für Nora zu erkennen, dass Witherspoon vorerst nicht beabsichtigte, sie zu ermorden. Er wollte sie quälen, ein gemeines Spiel mit ihr treiben. Nun, sie würde einen Weg finden, sich

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