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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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wieviel? Eine einzige! Eine einzige kleine, mickrige Taubenkacke, wo es hier Millionen Tauben gibt, die den ganzen verdammten Tag in die Stadt scheißen. Also? Was erhoffst du dir? Daß die Reaktionen dir brav den Gefallen tun, sich auf dein aufmerksames Gemüt niederzulassen?«
    »Ganz genau«, sagte Vandoosler. »Weil das hier...«
    »Weil das hier die Front ist«, bemerkte Lucien.
    »Dein Weltkriegsfreund ist schlau«, sagte Vandoosler.
    Im Raum herrschte einen Moment lang dumpfes Schweigen. Vandoosler kramte in seinen Taschen und holte zwei Fünf-Francs-Stücke heraus. Er entschied sich für das glänzendere und verschwand im Keller, wo sie die Werkzeuge verstaut hatten. Man hörte kurz das Geräusch einer Bohrmaschine. Vandoosler kam mit dem durchbohrten Geldstück in der Hand zurück und nagelte es mit drei Hammerschlägen an den Balken links vom Kamin.
    »Bist du mit deiner Show fertig?« fragte Marc.
    »Wo wir schon vom Walfang gesprochen haben«, antwortete Vandoosler, »nagele ich dieses Geldstück an den Großmast. Es gehört demjenigen, der den Mörder harpuniert.«
    »Muß das sein?« fragte Marc. »Sophia ist tot, und du amüsierst dich. Du nutzt es aus, um hier das Arschloch zu spielen, und machst auf Kapitän Ahab. Du bist lächerlich.«
    »Das ist nicht lächerlich, das ist ein Symbol. Ein kleiner Unterschied. Brot und Symbole. Das ist entscheidend.«
    »Und du bist natürlich der Kapitän.«
    Vandoosler schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Wir machen hier kein Wettrennen. Ich will den Mörder, und ich will, daß alle daran mitarbeiten.«
    »Man hat dich schon nachsichtiger mit Mördern erlebt«, bemerkte Marc.
    Vandoosler drehte sich brüsk um.
    »Mit dem hier werde ich keine Nachsicht haben. Er ist ein ganz gemeiner Hund.«
    »Ach ja? Weißt du das schon?«
    »Ja, das weiß ich. Der hier ist ein brutaler Totschläger. Ein Totschläger, verstehst du mich? Gute Nacht allesamt.«

 
     
23
     
    Am Montag gegen Mittag hörte Marc, wie ein Auto vor ihrem Tor hielt. Er ließ seinen Bleistift fallen und stürzte ans Fenster: Vandoosler stieg mit Alexandra aus einem Taxi. Er begleitete sie bis zu ihrem Pavillon und kam vor sich hin summend zurück. Also deswegen hatte er das Haus verlassen: um sie im Kommissariat abzuholen. Marc knirschte mit den Zähnen. Die subtile Allmacht des Paten begann ihn zu erbittern. Das Blut pochte ihm in den Schläfen. Wieder so ein Anfall von Wut. Die Tektonik. Wie zum Teufel stellte Mathias es an, wortkarg und hünenhaft zu bleiben, wo doch nichts von dem eintrat, was er sich wünschte? Er selbst hatte den Eindruck, sich ständig in Erbitterung zu verzehren. Er hatte an diesem Morgen die Hälfte seines Bleistifts zerkaut und unaufhörlich Holzsplitter auf sein Blatt gespuckt. Ob er mal versuchen sollte, Sandalen zu tragen? Lächerlich. Er würde sich nicht nur kalte Füße holen, sondern auch noch den letzten Glanz verlieren, der ihm blieb und der sich in die Manieriertheit seiner Kleidung geflüchtet hatte. Sandalen kamen gar nicht in Frage.
    Marc schnallte seinen versilberten Gürtel enger und strich seine enge schwarze Hose glatt. Alexandra war gestern nicht einmal vorbeigekommen.
    Warum hätte sie auch kommen sollen? Sie hatte ja jetzt ihr Gartenhaus, ihre Unabhängigkeit, ihre Freiheit. Das Mädchen war sehr empfindlich, was ihre Freiheit anging, da sollte man aufpassen. Immerhin hatte sie den Sonntag so verbracht, wie Vandoosler der Ältere es ihr empfohlen hatte. Park mit Cyrille. Mathias hatte sie Ball spielen sehen und hatte eine Partie mitgespielt. Milde Junisonne. Auf die Idee war Marc nicht gekommen. Mathias war in der Lage, hie und da schweigend kleine, tröstliche Gesten zu tun, die Marc nicht einmal in den Sinn kamen, so einfach waren sie. Marc hatte sich mit gedämpfter Begeisterung wieder an seine Untersuchung des dörflichen Handels im 11. und 12. Jahrhundert gemacht. Die Überlegungen zum landwirtschaftlichen Produktionsüberschuß waren vollkommen verworren, und man mußte sich mit aller Konzentration daranmachen, um nicht bis zu den Hüften in ihnen zu versinken. Atzend. Er hätte vielleicht besser daran getan, Ball zu spielen: da weiß man, was man wirft, da sieht man, was man fängt. Der Pate hatte den Sonntag damit verbracht, auf einem Stuhl stehend die Nase aus seinem Oberlicht zu stecken und die Umgebung zu überwachen. Was für ein Idiot. Klar, mit seiner Art, den Späher im Ausguck oder den Kapitän eines Walfangschiffs zu

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