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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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heftig das Gartentor zu. Verhöre machen niemandem gute Laune. Er mußte befürchten, daß die Geschichte mit seiner Geliebten, die er sich im 15. Arrondissement hielt, bis zu seinem Ministerium vordringen würde. Man wußte noch immer nicht, wann das Begräbnis der traurigen Überreste von Sophia stattfinden würde. Sie behielten sie einstweilen. Aber Marc erwartete nicht, daß Relivaux beim Begräbnis zusammenbrechen würde. Er wirkte bedrückt durch den Tod seiner Frau, aber nicht am Boden zerstört. Wenn er der Mörder war, so versuchte er zumindest nicht, Theater zu spielen, eine Taktik wie jede andere. Gegen halb sieben kam Lucien nach Hause. Schluß mit der Ruhe. Dann Vandoosler der Ältere, naß wie ein Schwamm. Marc lockerte seine vom langen Stehen steif gewordenen Muskeln. Das erinnerte ihn an den Tag, an dem sie beobachtet hatten, wie die Bullen unter dem Baum gruben. Von dem Baum redete überhaupt niemand mehr. Und doch hatte alles mit ihm angefangen. Marc schaffte es nicht, ihn zu vergessen. Den Baum.
    Ein verlorener Nachmittag. Kein Ereignis, kein unbedeutendes Vorkommnis, nicht die geringste Taubenkacke, nichts.
    Marc ging hinunter, um seinem Paten, der ein Feuer machte, um sich zu trocknen, Bericht zu erstatten.
    »Nichts«, sagte er. »Ich habe fünf Stunden stocksteif dagestanden, nur um das Nichts zu beobachten. Und du? Was ist mit den Verhören?«
    »Leguennec wird allmählich zurückhaltend mit Informationen. Wir sind zwar Freunde, aber man hat ja seinen Stolz. Er kommt nicht voran und möchte nicht, daß man das so klar sieht. In Anbetracht meiner Vergangenheit bleibt sein Vertrauen in mich trotz allem eher mäßig. Außerdem ist er jetzt aufgestiegen. Es ärgert ihn, daß er mich immer auf seiner Spur sieht, er hat den Eindruck, ich würde ihn verachten. Vor allem, als ich wegen der Haare gelacht habe.«
    »Und warum lachst du?«
    »Taktik, junger Vandoosler, Taktik. Armer Leguennec. Er hat geglaubt, die Richtige zu haben, und jetzt steht er mit einem halben Dutzend möglicher Verbrecher da, von denen es der eine genauso gewesen sein könnte wie der andere. Ich werde ihn zu einer Partie Karten einladen müssen, damit er sich entspannt.«
    »Ein halbes Dutzend? Haben sich noch Leute beworben?«
    »Na ja, ich habe Leguennec gegenüber bemerkt, daß die Tatsache, daß die kleine Alexandra sich blöd angestellt hat, noch kein Grund für ihn sei, einen groben Fehler zu begehen. Ich versuche ihn zu bremsen, vergiß das nicht. Das ist jetzt das Wichtigste. Also habe ich ihm einen ganzen Haufen Porträts von genauso möglichen Mördern entworfen. Relivaux, der sich gut verteidigt, hat ihn heute nachmittag auch noch zusätzlich gegen Alexandra eingenommen. Da mußte ich meinen Senf dazugeben. Relivaux versichert, das Auto seiner Frau nicht angerührt zu haben. Er habe Alexandra die Schlüssel gegeben. Da mußte ich Leguennec sagen, daß Relivaux ein zweites Paar bei sich versteckt hatte. Ich habe es Leguennec übrigens gegeben. Na? Was sagst du dazu?«
    Inzwischen loderte das Feuer im Kamin krachend auf. Marc hatte immer schon diesen kurzen Moment des ungezügelten Aufflammens gemocht, der dem Zusammenbrechen des Reisigs und dann dem gleichmäßigen Verbrennen vorausgeht – beides faszinierend, wenn auch aus anderen Gründen. Auch Lucien war gekommen, um sich aufzuwärmen. Es war Juni, aber in ihren Zimmern bekamen sie abends kalte Hände. Nur Mathias nicht, der gerade mit nacktem Oberkörper hereinkam, um das Abendessen zu bereiten. Mathias hatte einen muskulösen und fast unbehaarten Oberkörper.
    »Phantastisch«, sagte Marc argwöhnisch. »Und wie hast du dir die Schlüssel besorgt?«
    Vandoosler stieß einen Seufzer aus.
    »Ich seh schon«, sagte Marc. »Du bist mit Gewalt bei ihm eingedrungen, während er weg war. Du machst uns damit noch Ärger.«
    »Du hast doch neulich auch den Hasen geklaut«, antwortete Vandoosler. »Man verliert seine Gewohnheiten nicht so leicht. Ich wollte nachsehen. Ich habe ein bißchen herumgesucht. Briefe, Kontoauszüge, Schlüssel... Dieser Relivaux ist vorsichtig. Keinerlei belastende Papiere bei ihm.«
    »Wie hast du das mit den Schlüsseln angestellt?«
    »Nichts leichter als das. Hinter dem Band S des Großen Larousse aus dem 19. Jahrhundert. Eine Fundgrube, dieses Lexikon. Davon abgesehen, belastet ihn die Tatsache, die Schlüssel versteckt zu haben, noch nicht. Vielleicht ist er ein Angsthase, und es fiel ihm leichter zu sagen, daß er nie ein zweites Paar

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