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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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mochte, Lucien, weil er an die Kriegstagebücher von Frémonville dem Älteren dachte und daran, wie er an sie herankommen könnte.

 
     
30
     
    Als sie gegen Mitternacht in die Baracke zurückkehrten, trafen Marc und Lucien auf Vandoosler, der sie im Refektorium erwartete. Marc war müde und nicht mehr in der Lage, die gesammelten Informationen zu sortieren; er hoffte, daß der Pate ihn nicht allzu lange in Anspruch nehmen würde. Denn es war klar, daß Vandoosler einen Bericht erwartete. Lucien dagegen schien in Bestform zu sein. Er hatte sich vorsichtig seiner zwölf Kilo schweren Tasche entledigt und sich etwas zu trinken eingeschenkt. Er fragte, wo die Telefonbücher seien.
    »Im Keller«, antwortete Marc. »Paß aber auf, sie stützen die Werkbank.«
    Aus dem Keller hörte man einen großen Lärm, und Lucien kam strahlend mit einem Telefonbuch unter dem Arm zurück.
    »Tut mir leid«, sagte er, »es ist alles zusammengestürzt.«
    Er ließ sich mit seinem Glas am Ende des großen Tisches nieder und begann das Telefonbuch durchzublättern.
    »René de Frémonvilles dürfte es eigentlich nicht dutzendweise geben«, sagte er. »Mit etwas Glück wohnt er in Paris. Für einen Theater- und Opernkritiker schiene mir das sinnvoll.«
    »Was sucht ihr?« fragte Vandoosler.
    »Er sucht«, antwortete Marc. »Nicht ich. Er will einen Kritiker ausfindig machen, dessen Vater sein gesamtes Kriegserleben in kleinen Heften notiert hat. Das hat ihn völlig gepackt. Er betet zu allen Göttern der Gegenwart und der Vergangenheit, daß der Vater nur ja ein Bauer gewesen sein möge. Es scheint, das ist viel seltener. Er hat die ganze Fahrt über gebetet.«
    »Kann er damit nicht warten?« fragte Vandoosler.
    »Du weißt genau, daß Lucien mit dem Ersten Weltkrieg nicht warten kann. Er steckt so tief drin, daß man sich fragen kann, ob er eigentlich weiß, daß er zu Ende ist. In diesem Zustand ist er seit heute nachmittag. Ich halte seinen verdammten Krieg nicht mehr aus. Ihn interessieren ausschließlich Exzesse. Hörst du, Lucien? Das ist keine Geschichte mehr, was du da betreibst!«
    »Teurer Freund«, erwiderte Lucien, ohne den Kopf zu heben, während er mit dem Finger eine Spalte des Telefonbuchs entlangfuhr, »die Erforschung der Exzesse offenbart einem das Wesentliche, das gewöhnlich verborgen ist.«
    Marc, der ein gewissenhafter Mensch war, dachte ernsthaft über den Satz nach. Er erschütterte ihn. Er fragte sich, in welchem Maße seine Neigung, eher über den mittelalterlichen Alltag zu forschen als über dessen einzelne Höhepunkte, ihn vom Wesentlichen entfernen mochte, das gewöhnlich verborgen war. Bis dahin hatte er immer geglaubt, die kleinen Dinge würden sich nur in den großen und die großen in den kleinen offenbaren, in der Geschichte wie im Leben. Er begann gerade, die religiösen Krisen und die furchtbaren Epidemien unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten, als der Pate ihn unterbrach.
    »Deine historischen Träumereien können ebenfalls warten. Habt ihr was herausgefunden, ja oder nein?«
    Marc schreckte auf. In wenigen Sekunden überwand er neun Jahrhunderte und setzte sich mit von der Reise leicht schwindeligem Blick Vandoosler gegenüber.
    »Alexandra?« fragte er mit etwas ausdrucksloser Stimme. »Wie war das Verhör?«
    »Wie jedes Verhör einer Frau, die in der Mordnacht nicht zu Hause war.«
    »Hat Leguennec das herausgekriegt?«
    »Ja. Das rote Auto stand am Morgen nicht am selben Platz. Alexandra hat ihre erste Aussage widerrufen müssen, sie ist kräftig angeschrien worden und hat gestanden, von Viertel nach elf bis drei Uhr morgens weggewesen zu sein. Eine kleine Fahrt mit dem Auto. Mehr als drei Stunden, das ist ein ganz schönes Stück, nicht wahr?«
    »Schlecht«, sagte Marc. »Und wohin ging die kleine Fahrt?«
    »Sie sagt, Richtung Arras. Auf der Autobahn. Sie schwört, nicht in die Rue de la Prévoyance gefahren zu sein. Aber da sie schon einmal gelogen hat... Sie haben die Mordzeit eingrenzen können. Zwischen halb eins und zwei. Also mitten drin.«
    »Schlecht«, wiederholte Marc.
    »Sehr schlecht. Leguennec muß nicht mehr groß getreten werden, um seine Ermittlung abzuschließen und dem Untersuchungsrichter seinen Antrag vorzulegen.«
    »Tritt ihn bloß nicht.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich halte ihn auf, so gut ich kann. Aber es wird langsam schwierig. Also, hast du was gefunden?«
    »Alles ist in Luciens Rechner«, sagte Marc und wies mit einer Kopfbewegung auf die

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