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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Die Polizisten haben keine Zeit, sich jetzt drum zu kümmern, und fürchten wohl, der Mörder könne sie überholen. Ich habe nach meiner Siesta gehört, wie der Dummkopf unten telefonierte. Er will den Raum versiegeln lassen. Das scheint auch zu klappen.«
    »Seien Sie unbesorgt«, erwiderte Lucien. »Wir sind in einer halben Stunde fertig.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Simeonidis. »Sie kommen ja rasch voran.«
    »Apropos«, sagte Marc. »Hat Ihr Stiefsohn auch in Elektra mitgespielt?«
    »In Toulouse? Ganz sicher«, meinte Simeonidis. »Zwischen 1973 und 1978 hat er bei allen Aufführungen mitgewirkt. Erst danach hat er alles aufgegeben. Aber suchen Sie nicht in seiner Richtung, Sie vertrödeln nur Ihre Zeit.«
    »Hat Sophia Ihnen von dem Überfall während der Elektra- Aufführungen erzählt?«
    »Sophia haßte es, wenn darüber gesprochen wurde«, sagte Simeonidis nach kurzem Schweigen.
    Nachdem der alte Grieche wieder gegangen war, warf Marc einen Blick auf Lucien, der in einen durchgesessenen Sessel gesunken war, die Beine ausstreckte und seinen Zeitungsausschnitt hin und her drehte.
    »In einer halben Stunde, sagst du?« rief Marc. »Du tust keinen Strich, träumst von deinen Kriegstagebüchern, hier gibt’s haufenweise Sachen abzuschreiben, und dann beschließt du, dich in einer halben Stunde zu verdrücken?«
    Ohne sich zu rühren, zeigte Lucien mit dem Finger auf seine Tasche.
    »Da drin habe ich zweieinhalb Kilo Notebook, neun Kilo Scanner, Parfüm, eine Unterhose, eine, lange Kordel, einen Schlafsack, eine Zahnbürste und eine Scheibe Brot. Jetzt verstehst du, warum ich am Bahnhof ein Taxi nehmen wollte. Such du mir nur deine Dokumente raus, ich lese alles ein, was du haben willst, und wir nehmen es mit in die Baracke. So.«
    »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Nach dem, was Dompierre zugestoßen ist, war vorauszusehen, daß die Bullen versuchen würden, etwas aus den Archiven zu kopieren. Die Manöver des Gegners vorauszusehen ist das A und O des Krieges, mein Lieber. Die amtliche Anordnung kommt sicher bald, aber wir sind schneller. Beeil dich.«
    »Entschuldigung«, sagte Marc. »Ich rege mich im Augenblick ständig auf. Du übrigens auch.«
    »Nein. Ich wettere nur, in die eine oder in die andere Richtung. Das ist ein ziemlicher Unterschied.«
    »Sind das deine Geräte?« fragte Marc. »Das kostet doch ’ne Stange Geld.«
    »Die hab ich von der Uni geliehen, ich muß sie in vier Monaten zurückgeben. Nur die Kabel gehören mir.«
    Er lachte und schloß die Geräte an.
    Je mehr Unterlagen kopiert waren, desto wohler wurde Marc. Vielleicht war nicht viel aus ihnen herauszuholen, aber die Vorstellung, sie im Schutz seines mittelalterlichen zweiten Stocks in aller Ruhe durchsehen zu können, erleichterte ihn sehr. Das meiste aus dem Karton kam in den Scanner.
    »Fotos«, sagte Lucien und winkte mit einer Hand.
    »Glaubst du?«
    »Sicher. Bring die Fotos.«
    »Es sind nur Fotos von Sophia.«
    »Kein Gruppenfoto beim Applaus, beim gemeinsamen Essen nach der Generalprobe oder sowas?«
    »Nur Sophia, sage ich.«
    »Dann laß es sein.«
    Lucien wickelte seine Geräte in einen alten Schlafsack, verschnürte alles und befestigte eine lange Kordel daran. Dann öffnete er leise das Fenster und ließ das empfindliche Paket vorsichtig hinunter.
    »Es gibt kein Zimmer ohne Öffnung«, sagte er. »Und unterhalb einer Öffnung gibt es einen Boden, wie auch immer er aussieht. Hier ist es ein kleiner Hof mit Mülltonnen, das ist mir lieber als die Straße. Ich bin soweit.«
    »Es kommt jemand«, sagte Marc.
    Lucien ließ die Kordel los und schloß geräuschlos das Fenster. Er setzte sich wieder in den alten Sessel und nahm seine unbekümmerte Haltung ein.
    Mit dem befriedigten Gesichtsausdruck eines Menschen, der gerade ein Rebhuhn in vollem Flug erlegt hat, trat der Bulle ein.
    »Es ergeht absolutes Verbot, irgend etwas zu kopieren oder auch nur einzusehen«, sagte der Mann. »Eine neue Anordnung. Nehmen Sie Ihre Sachen, und verlassen Sie den Raum.«
    Marc und Lucien schimpften, gehorchten aber und folgten dem Bullen. Als sie in das Wohnzimmer kamen, hatte Madame Simeonidis den Tisch für fünf Personen gedeckt. Fünf, dachte Marc, das bedeutete, daß sicher auch der Sohn mitessen würde. Den Sohn mußte man sich ansehen. Sie nahmen dankend an. Der junge Bulle durchsuchte sie, bevor sie Platz nahmen, und leerte den Inhalt ihrer Taschen, die er schließlich ausschüttelte und in alle Richtungen drehte und wendete.
    »In

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