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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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wird sich nicht rühren.«
    »Hast du sie davon überzeugen können?«
    »Ich habe es nicht versucht. Ich habe eine Kralle an einem Reifen befestigt.« Vandoosler lächelte.
    »Eine Kralle? Sowas hast du?«
    »Aber ja. Morgen in aller Frühe nehme ich sie wieder weg. Lex wird nichts davon erfahren – außer natürlich, sie versucht wegzufahren.«
    »Du bist wirklich durch und durch Bulle. Wenn du gestern daran gedacht hättest, wäre sie außer Verdacht. Du kommst ein bißchen langsam in die Gänge.«
    »Ich habe dran gedacht«, bemerkte Vandoosler. »Aber ich habe nichts unternommen.«
    Marc wandte sich um, und der Pate hielt ihn mit einer Handbewegung zurück, bevor er heftig werden konnte.
    »Reg dich nicht auf, Marc. Ich habe schon mal gesagt, daß es mitunter gut ist, die Leine schießen zu lassen. Sonst erstarrt das Ganze, man erfährt nichts, und das Boot kentert.«
    Er deutete lächelnd auf das an den Balken genagelte Fünf-Francs-Stück. Sorgenvoll sah Marc zu, wie er hinausging, und hörte, wie er die Treppen zum vierten Stock erklomm. Er verstand nicht immer, was der Pate im Schilde führte, vor allem war er nicht sicher, ob sie wirklich dasselbe jagten. Er nahm die Kaminschaufel und häufte einen ordentlichen kleinen Aschehaufen auf die Glut. So deckt man sie zu, und trotzdem glüht es darunter weiter. Was man sehr gut sieht, wenn man das Licht ausmacht. Das tat Marc, der auf einem Stuhl saß und in der Dunkelheit auf die rotglimmenden Holzstücke starrte. Auf diese Weise schlief er ein. Um vier Uhr morgens ging er durchgefroren und wie gerädert in sein Zimmer. Er hatte nicht den Elan, sich auszuziehen. Gegen sieben hörte er, wie Vandoosler hinunterging. Ach, ja. Die Kralle. Schlaftrunken schaltete er den Rechner ein, den Lucien in seinem Arbeitszimmer aufgestellt hatte.

 
     
31
     
    Als Marc gegen elf den Rechner ausschaltete, war niemand mehr in der Baracke. Vandoosler der Ältere war gegangen, um Informationen einzuholen, Mathias war verschwunden, und Lucien hatte die Spur der sieben Kriegstagebücher aufgenommen. Vier Stunden lang hatte Marc sich alle Zeitungsausschnitte auf den Bildschirm geholt, hatte alle Artikel gelesen und wieder gelesen, hatte sich ihren Wortlaut und alle Einzelheiten eingeprägt und sie auf Übereinstimmungen und Unterschiede untersucht.
    Die Junisonne hielt sich, und zum ersten Mal kam ihm die Idee, eine Schale Kaffee mit nach draußen zu nehmen und sich ins Gras zu setzen, wo die frische Luft des Vormittags ihm hoffentlich seine Kopfschmerzen vertreiben würde. Der Garten war sich selbst überlassen und völlig verwildert. Marc trampelte einen Quadratmeter Gras nieder, fand ein Holzbrett und setzte sich auf dem Brett in die Sonne. Er wußte nicht weiter. Er kannte die Unterlagen jetzt auswendig. Sein Gedächtnis arbeitete vorzüglich und behielt alles, dieses stumpfsinnige Ding, einschließlich sämtlicher Belanglosigkeiten und Erinnerungen an Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Marc verschränkte die Beine und saß wie ein Fakir im Schneidersitz auf seinem Brett. Der Besuch in Dourdan hatte nicht viel gebracht. Dompierre hatte seine Geschichte mit in den Tod genommen, ihm fiel beim besten Willen kein Weg ein, um herauszufinden, wie sie gelautet haben könnte. Man wußte ja nicht einmal, ob sie interessant gewesen wäre.
    Alexandra ging mit einer Einkaufstasche auf der Straße vorbei, und Marc winkte ihr zu. Er versuchte, sie sich als Mörderin vorzustellen, und das tat ihm weh. Wo hatte sie sich nur über drei Stunden mit ihrem Auto herumgetrieben?
    Marc fühlte sich nutzlos, ohnmächtig und unproduktiv. Irgendwas übersah er. Seitdem Lucien diesen Satz über das Wesentliche gesagt hatte, das sich bei der Suche nach den Exzessen offenbarte, fühlte er sich nicht mehr wohl. Das irritierte ihn. Diese Irritation betraf sowohl die Art und Weise seiner Forschungen über das Mittelalter als auch die Art und Weise, in der er über diese Angelegenheit nachdachte. Aber bald war er diese kraftlosen, verschwommenen Gedanken leid, er gab sein Brett auf und erhob sich, während er einen Blick auf die Westfront warf. Komisch, wie diese Manie von Lucien sich in ihren Köpfen breitgemacht hatte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dieses Haus noch anders zu nennen als ›die Westfront‹. Relivaux war ganz offenbar noch nicht wieder aufgetaucht, der Pate hätte es ihm gesagt. Ob die Bullen seinen Zeitplan in Toulon hatten überprüfen können?
    Marc stellte seine Schale auf das

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