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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Bariton, und der fröhliche, positive Ton hätte dazu führen müssen, dass ich mich sehr wohl in meiner Haut fühlte, doch die Tatsache, dass es Doakes war, der hier durch einen Stellvertreter sprach, verdarb irgendwie die Wirkung.
    »Wie beruhigend«, sagte ich. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich beim Verlassen des Aufzugs im Auge zu behalten?«
    Einen Moment lang glaubte er, es mache ihm etwas aus, und seine Klaue steuerte wieder die Tastatur an. Doch dann fiel ihm ein, dass es schon beim ersten Mal ohne Hinsehen nicht besonders gut funktioniert hatte, deshalb blickte er nach unten, drückte auf eine Taste und sah wieder zu mir auf, als die fröhliche Stimme »Drecksau« sagte, in einem Ton, der es klingen ließ wie »Marmeladen-Doughnut«. Doch immerhin rückte er ein wenig zur Seite, so dass ich vorbeikonnte.
    »Danke«, sagte ich, und weil ich manchmal kein besonders netter Mensch bin, fügte ich hinzu: »Ich lege es auf Ihren Schreibtisch. Schwarz mit zwei Stück Zucker. Schönen Tag noch.« Während ich den Flur hinunterging, konnte ich seinen Blick auf dem ganzen Weg zu meinem Kabuff spüren.

5
    D as Martyrium des Arbeitstages war ein einziger Alptraum gewesen, angefangen mit dem morgendlichen Stranden ohne Doughnuts bis hin zu meiner beängstigenden Begegnung mit den stimmlich verstärkten Überresten von Sergeant Doakes. Dennoch war ich mitnichten auf den Schock vorbereitet, der mich bei meiner Heimkehr erwartete.
    Ich hatte auf das satte, wohlige Gefühl eines guten Essens und ein wenig Entspannung mit Cody und Astor gehofft – vielleicht draußen im Hof eine Runde Dosentreten vor dem Abendessen.
    Doch als ich vor Ritas Haus parkte – mittlerweile
mein
Haus, noch etwas gewöhnungsbedürftig für mich –, überraschte mich der Anblick der beiden kleinen Wuschelköpfe, die im Hof saßen, wo sie offenbar auf mich warteten. Da ich sehr wohl wusste, dass um diese Zeit SpongeBob Schwammkopf lief, konnte ich mir absolut nicht vorstellen, warum sie hier draußen vor dem Haus hockten statt vor dem Fernseher. Und so stieg ich mit wachsender Unruhe aus dem Wagen und ging zu ihnen hinüber.
    »Seid gegrüßt, Bürger«, sagte ich.
    Sie starrten mich mit identischen Leichenbittermienen an, erwiderten jedoch nichts. Von Cody war das zu erwarten, da er nie mehr als vier Wörter auf einmal von sich gab. Doch bei Astor, die das Talent ihrer Mutter zur Zirkuläratmung geerbt hatte, was beiden gestattete zu reden, ohne zwischendurch Luft zu holen, war das ein ernsthaftes Warnsignal. Sie dort schweigend sitzen zu sehen war überaus ungewöhnlich. Deshalb wechselte ich die Sprache und versuchte es noch einmal. »Was geht ab, ey?«
    »Kackwagen«, sagte Cody. Zumindest glaubte ich das zu hören. Doch da nichts in meiner Ausbildung mich darauf vorbereitet hatte, wie man auf eine so ungenaue Aussage reagiert, blickte ich in der Hoffnung auf einen Hinweis hinüber zu Astor.
    »Mom sagt, wir kriegen Pizza, aber für dich hat sie den Kackwagen, und wir wollen nicht, dass du fortgehst, deshalb sind wir rausgekommen, um dich zu warnen. Du gehst doch nicht fort, Dexter, oder?«
    Die Feststellung, dass ich Cody richtig verstanden hatte, erleichterte mich ein wenig, obgleich ich nun tatsächlich versuchen musste zu entschlüsseln, was »Kackwagen« bedeutete. Hatte Rita das tatsächlich gesagt? Hieß es, dass ich etwas sehr Schlimmes getan hatte, von dem ich nichts wusste? Das schien ungerecht – ich erinnere mich gern und genieße es, wenn ich etwas Schlimmes getan habe. Und am ersten Tag nach den Flitterwochen – war das nicht ein wenig abrupt?
    »Soweit ich weiß, gehe ich nirgendwohin«, antwortete ich. »Seid ihr sicher, dass eure Mutter das gesagt hat?«
    Sie nickten einmütig, und Astor sagte: »Mhm. Sie meinte, du würdest überrascht sein.«
    »Da hatte sie recht«, antwortete ich, und es schien wirklich ungerecht. Ich war vollkommen ratlos. »Kommt«, forderte ich sie auf. »Wir gehen zu ihr und sagen ihr, dass ich nicht weggehe.« Sie ergriffen meine Hände, und wir betraten das Haus.
    Ein aufreizender Duft erfüllte das Innere, seltsam vertraut und doch exotisch, als hielte man sich eine Rose an die Nase und röche Kürbiskuchen. Er drang aus der Küche, deshalb führte ich meinen kleinen Stoßtrupp in diese Richtung.
    »Rita?«, rief ich, und das Klappern von Töpfen antwortete mir.
    »Es ist noch nicht fertig. Es ist eine Überraschung.«
    Wie wir alle wissen, sind Überraschungen im Allgemeinen unheilvoll,

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