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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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zeige euch etwas, was ihr nutzen könnt.«
    »Indem wir Dosentreten spielen?«, fragte Astor schmollend. »Das wollen wir nicht wissen.«
    »Warum gewinne ich jedes Mal, wenn wir Dosentreten spielen?«, fragte ich sie.
    »Tust du ja gar nicht«, meinte Cody.
    »Gelegentlich
lasse
ich einen von euch gewinnen«, gab ich würdevoll zurück.
    »Ha«, meinte Cody.
    »Worauf es ankommt«, fuhr ich fort, »ist, dass ich mich leise bewegen kann. Warum könnte das wichtig sein?«
    »Um sich an jemanden anzuschleichen«, sagte Cody, eine Menge Wörter für ihn. Es war wundervoll zu beobachten, wie sein neues Hobby dazu führte, dass er sein Schneckenhaus verließ.
    »Genau«, bestätigte ich. »Und Dosentreten bietet eine gute Gelegenheit zum Üben.«
    Sie sahen einander an, und dann sagte Astor: »Zeig es uns erst, dann gehen wir und holen die anderen.«
    »In Ordnung.« Ich stand auf und führte sie zu der Hecke zwischen ihrem und dem Nachbargarten.
    Es war noch nicht dunkel, doch die Schatten wurden bereits länger, und wir standen dort im schattigen Gras neben der Hecke.
    Ich schloss einen kurzen Moment die Augen; auf dem dunklen Rücksitz regte sich etwas, und ich öffnete mich für das sanfte Rascheln schwarzer Schwingen, spürte, wie ich mit den Schatten verschmolz und Teil der Dunkelheit wurde …
    »Was machst du da?«, fragte Astor.
    Ich schlug die Augen auf. Sie und ihr Bruder starrten mich an, als hätte ich unvermittelt begonnen, Schmutz zu essen. Mir drängte sich der Gedanke auf, dass es womöglich eine zähe Angelegenheit werden würde, die Vorstellung zu erklären, wie man eins mit der Dunkelheit wurde. Aber es war mein Einfall gewesen, und deshalb war Rückzug ausgeschlossen.
    »Als Erstes«, begann ich und versuchte lässig logisch zu klingen, »müsst ihr euch entspannen und spüren, wie ihr zum Teil der Nacht um euch herum werdet.«
    »Es ist noch nicht Nacht«, wandte Astor ein.
    »Dann sei einfach Teil des Spätnachmittags, okay?«, erwiderte ich. Sie sah zweifelnd drein, doch sagte sie nichts mehr, deshalb fuhr ich fort: »Nun. In euch existiert etwas, was ihr wecken müsst, und ihr müsst darauf hören. Ergibt das einen Sinn für euch?«
    »Schattenmann«, sagte Cody, und Astor nickte.
    Ich musterte die beiden, und es kam mir fast so vor, als wohnte ich einem religiösen Wunder bei. Sie wussten vom Schattenmann – ihrem Dunklen Passagier. Ebenso wie ich trugen sie ihn in sich und waren so vertraut mit seiner Existenz, dass sie ihm einen Namen gegeben hatten. Es bestand nicht der geringste Zweifel – sie befanden sich bereits in derselben dunklen Welt, in der ich lebte. Es war ein tiefgreifender Moment der Verbundenheit, und ich wusste, dass ich das Richtige tat: Sie waren meine Kinder und die des Dunklen Passagiers – und die Vorstellung, dass wir dadurch stärker als durch Blutsbande miteinander verbunden waren, war nahezu überwältigend.
    Ich war nicht allein. Ich trug die große und wunderbare Verantwortung, diese beiden in meine Obhut zu nehmen und sicher auf den Harry-Pfad zu geleiten, wo sie zu dem werden konnten, was sie waren, doch in Sicherheit und in der richtigen Reihenfolge. Es war ein herrlicher Moment, und ich bin ziemlich sicher, dass irgendwo Musik spielte.
    Auf diese Weise hätte dieser Tag des Aufruhrs und der Qualen enden sollen. Frank und frei gesagt, wenn es in dieser weiten, verderbten Welt Gerechtigkeit gäbe, hätten wir uns in der abendlichen Hitze vergnügt, gemeinsam wunderbare Geheimnisse erkundet und wären dann zu einem köstlichen Mahl aus französischen Gerichten und amerikanischer Pizza geschlendert.
    Doch selbstverständlich existiert so etwas wie Gerechtigkeit nicht. Ich halte sehr häufig inne und denke darüber nach, wie wahr es doch ist, dass das Leben uns letzten Endes nicht besonders gern hat. Und so hätte ich nicht überrascht sein dürfen, dass mein Handy zu klingeln begann, als ich soeben meine Arme nach ihnen ausstreckte.
    »Beweg deinen Arsch hier herüber«, knurrte Deborah, ohne auch nur hallo zu sagen.
    »Gern«, erwiderte ich. »Solange der Rest von mir zum Essen hierbleiben kann.«
    »Sehr lustig«, sagte sie, obgleich sie nicht sonderlich amüsiert klang. »Aber im Augenblick brauche ich keinen Lacher. Ich stehe nämlich gerade vor einer weiteren dieser unglaublich witzigen Leichen.«
    Ich spürte ein leises fragendes Schnurren des Dunklen Passagiers, und mehrere Haare in meinem Nacken richteten sich auf, um besser sehen zu können. »Noch

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