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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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gegen den ganzen verschissenen Staat? Das soll einen Sinn ergeben?«
    »Eigentlich nicht«, gab ich zu.
    »Wie wäre es dann, wenn du mir was erzählst, was Sinn ergibt? Zum Beispiel genau jetzt? Schlimmer kann’s nämlich nicht mehr kommen.«
    Das Leben lehrt uns, zurückzuweichen und unter das nächste Möbelstück zu kriechen, wann immer jemand närrisch genug ist, diese grausamen Worte zu äußern. Und siehe da, die entsetzlichen Silben waren kaum Deborahs Mund entschlüpft, da rang das Telefon auf ihrem Tisch um ihre Aufmerksamkeit, und eine leise und ziemlich garstige Stimme flüsterte mir ins Ohr, dass dies eine großartige Gelegenheit sei, mich unter den Tisch zu quetschen und die Embryonalstellung einzunehmen.
    Deborah griff nach dem Hörer, während sie mich weiterhin anfunkelte, dann wandte sie sich plötzlich ab und krümmte sich. Sie murmelte ein paar schockierte Silben, die klangen wie: »Wann? Jesus! Genau!«, und dann legte sie auf und bedachte mich mit einem Blick, der ihr vorheriges Starren wie den ersten Kuss des Frühlings wirken ließ. »Du Wichser«, sagte sie.
    »Was habe ich getan?«, fragte ich, ziemlich überrascht von dem kalten Zorn in ihrer Stimme.
    »Das wüsste ich gern.«
    Selbst ein Ungeheuer kommt an einen Punkt, an dem es ein wenig ärgerlich wird, und ich nehme an, ich war diesem Punkt äußerst nah. »Deborah, entweder sprichst du in ganzen Sätzen, die einen Sinn ergeben, oder ich gehe zurück ins Labor und poliere das Spektrometer.«
    »In unserem Fall hat es einen Durchbruch gegeben«, sagte sie.
    »Und warum sind wir dann nicht glücklich?«
    »In der Behörde für Fremdenverkehr«, sagte sie.
    Ich öffnete den Mund zu einer geistreichen und bissigen Entgegnung, dann schloss ich ihn wieder.
    »Genau«, sagte Deborah. »Fast, als hegte jemand einen Groll gegen den ganzen Staat.«
    »Und du glaubst, das wäre ich?«, fragte ich. Ich hatte jeglichen Ärger hinter mir gelassen und war mittlerweile nur noch bass erstaunt. Sie starrte mich einfach an. »Debs, ich glaube, jemand hat dir Blei in den Kaffee gekippt. Florida ist meine Heimat. Soll ich dir
Swanee River
vorsingen?«
    Vermutlich war es nicht mein Angebot eines Gesangsvortrags, das sie reanimierte, doch was immer es war, sie musterte mich noch einen langen Moment, dann sprang sie auf. »Komm, wir fahren rüber«, kommandierte sie.
    »Ich? Was ist mit deinem Partner Coulter?«
    »Der ist Kaffeeholen, scheiß auf ihn«, antwortete sie. »Außerdem würde ich noch lieber mit einem Warzenschwein zusammenarbeiten. Komm schon.« Aus irgendeinem Grund platzte ich nicht gerade vor Stolz, geringfügig besser zu sein als ein Warzenschwein, doch wenn die Pflicht ruft, ist Dexter stets zur Stelle, und so folgte ich ihr durch die Tür.

8
    D ie Behörde für Fremdenverkehr befindet sich in einem hoch aufstrebenden Gebäude an der Brickell Avenue, wie es ihrem Status als äußerst bedeutende Institution gebührt. Die volle Erhabenheit ihrer Aufgaben spiegelt sich in der Aussicht aus den Fenstern, die einen reizenden Ausschnitt des Zentrums und des Kanals Government Cut, einen Streifen von Key Biscayne und sogar die nahe Arena bietet, in der die Basketball-Mannschaft von Zeit zu Zeit für wahrhaft dramatische Niederlagen aufläuft. Eine wunderbare Aussicht, beinah wie eine Postkarte, als wolle sie sagen: Schau, das ist Miami – wir haben nicht zu viel versprochen.
    Doch heute schienen nur wenige der Angestellten die Aussicht zu genießen. Die Behörde ähnelte einem gigantischen, eichenfurnierten Bienenstock, in dem jemand herumgestochert hatte. Mit Sicherheit arbeiteten dort nicht mehr als eine Handvoll Angestellte, doch sie flitzten so hektisch zwischen den Räumen und auf dem Flur hin und her, dass man den Eindruck gewann, es wären Hunderte in ständiger Bewegung, wie Flitter in einer Schneekugel. Deborah wartete zwei volle Minuten am Empfang – ein ganzes Leben, wenn man ihre Fähigkeit zur Geduld zum Maßstab nahm –, ehe eine große Frau stehen blieb und sie anstarrte.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie.
    Debs zeigte umgehend ihre Marke. »Ich bin Sergeant Morgan. Von der Polizei.«
    »O Gott«, stöhnte die Frau, »ich hole Jo Anne.« Schon war sie durch eine Tür zur Rechten verschwunden. Deborah starrte mich an, als wäre es meine Schuld, sagte »Jesus«, und dann sprang die Tür wieder auf, und eine kleine Frau mit langer Nase und kurzen Haaren sauste heraus.
    »Polizei?«, fragte sie mit unverhohlener Wut in der Stimme.

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