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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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bestätigte ich.
    »Sie wurde
niedergestochen!
«
    »Der Anwalt behauptet, es sei Notwehr gewesen«, erklärte ich.
    »Hurensohn«, fluchte er.
    »Ich bin sicher, dass kein Anlass zur Sorge besteht«, beschwichtigte ich ihn. »So lauten nun mal die Vorschriften, er muss ermitteln.«
    »Gottverdammter Hurensohn«, fluchte Chutsky wieder. »Und er kommt hierher? Wo sie im beschissenen Koma liegt?«
    »Er kennt Deborah schon sehr lange«, erklärte ich. »Vielleicht wollte er einfach wissen, wie es ihr geht.«
    Eine lange Pause trat ein, dann sagte Chutsky: »Okay, Kumpel. Wenn du es sagst. Aber ich glaube nicht, dass ich ihn das nächste Mal hereinlassen werde.«
    Ich war nicht so sicher, ob Chutskys Haken Salgueros glattem und absolutem Selbstvertrauen gewachsen war, doch ich hatte das Gefühl, es könnte ein spannender Zweikampf werden. Chutsky war hinter all seiner Prahlerei und aufgesetzten Herzlichkeit ein eiskalter Killer. Doch Salguero arbeitete seit vielen Jahren bei der Dienstaufsicht, was ihn praktisch kugelsicher machte. Falls es zu einem Kampf kam, würde er tolle Quoten im Bezahlfernsehen erreichen. Gleichzeitig wusste ich, dass ich diesen Gedanken lieber für mich behalten sollte, weshalb ich einfach antwortete: »In Ordnung. Bis nachher«, und auflegte.
    Nachdem ich mich so um all die kleinen menschlichen Details gekümmert hatte, konzentrierte ich mich erneut aufs Warten. Autos fuhren vorbei, auf dem Bürgersteig gingen Passanten. Ich bekam Durst und fand auf dem Boden vor dem Rücksitz eine halbe Flasche Wasser. Und endlich brach die Dunkelheit herein.
    Ich wartete noch ein wenig länger, bis die Dunkelheit sich vollkommen über die Stadt und über mich gelegt hatte. Es war ein gutes Gefühl, in das kühle, bequeme Jackett der Nacht zu schlüpfen, und in mir schwoll die Vorfreude, begleitet vom ermutigenden Flüstern des Dunklen Passagiers, der mich drängte, zur Seite zu rutschen und ihm das Steuer zu überlassen.
    Was ich schließlich tat.
    Ich steckte die sorgfältig geknüpfte Schlinge aus Angelschnur und eine Rolle Klebeband in die Tasche, die einzigen Werkzeuge, die ich im Augenblick im Auto hatte, und stieg aus.
    Und zögerte: Zu viel Zeit seit dem letzten Mal, viel zu viel Zeit, seit Dexter es zum letzten Mal in die Hand genommen hatte. Ich hatte keine Recherchen durchgeführt, das war nicht gut. Ich hatte keinen Plan, und das war noch schlimmer. Ich wusste nicht, was hinter dieser Tür lag oder was ich tun musste, nachdem ich eingetreten war. Einen Moment lang stand ich verunsichert neben dem Wagen und fragte mich, ob ich den Ablauf des Tanzes improvisieren konnte. Die Unsicherheit nagte an meinem Panzer, und so stand ich da, einen Fuß in der Dunkelheit, unfähig, den ersten bedeutungsvollen Schritt zu tun.
    Aber das war dumm, feige und falsch – und gar nicht Dexter. Der wahre Dexter lebte in der Dunkelheit, erwachte in der scharfen Nacht zum Leben, genoss es, aus den Schatten zuzuschlagen. Was war das, das hier zögernd herumstand? Dexter zauderte nicht.
    Ich blickte auf in den Nachthimmel und sog ihn ein. Dort stand nur ein Keil des verrotteten gelben Mondes, doch ich öffnete mich, und er heulte mir zu, und die Nacht pulsierte in meinen Adern, klopfte in meinen Fingerspitzen und sang in der Haut, die sich straff um meinen Hals spannte, und ich spürte, wie sich alles veränderte, sich verwandelte in: Was wir sein müssen. Was wir tun werden. Und dann in: Wir sind bereit, es zu tun.
    Dies war das Jetzt, dies war die Nacht, und dies war der Tanz des Dunklen Dexter, und die Schritte würden kommen und in unsere Beine strömen, wie sie es immer getan hatten.
    Und in der Tiefe entfalteten sich die schwarzen Schwingen, breiteten sich über den Nachthimmel und trugen uns voran.
    Wir glitten durch die Nacht, um den Block, kontrollierten sorgfältig das Gelände. Am anderen Ende der Straße war eine Gasse, und wir schritten hinunter in noch tiefere Dunkelheit, nahmen die Abkürzung zur Rückseite von Doncevic’ Haus. Vor einer überdachten, gut getarnten Laderampe parkte ein verbeulter Lieferwagen – das rasche, trockene Flüstern des Passagiers mahnte: Schau, so hat er die Leichen zu den Ausstellungsorten gebracht. Und bald würde er denselben Weg nehmen.
    Wir kreisten zum Ausgangspunkt zurück und entdeckten nichts Beunruhigendes. Ein äthiopisches Restaurant um die Ecke. Laute Musik drei Türen weiter. Und dann standen wir wieder vor dem Eingang und drückten auf die Klingel. Er öffnete

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