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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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schickte, als Lohn für die bösartigen Dinge, die sie getan hatten.
    Gerade erst in der vergangenen Nacht hatte ich ihn bei Doncevic gesehen – und obgleich ich ihn nicht sorgfältig ausgewählt hatte, wurde mir bewusst, dass dieser Ausdruck dorthin gehörte, zu ihm. Ihm hatte meine Schwester ihr Aussehen zu verdanken, und das reichte vollkommen. Es gab nichts, was Dexters nicht-existente Seele in Aufruhr versetzen müsste. Ich hatte meine Aufgabe erfüllt, einen schlechten Menschen aus dem wimmelnden Aufruhr des Lebens entfernt und ihn in eine Anhäufung von Müllsäcken gezwängt, wohin er gehörte. Wie unsauber und planlos auch immer, es war rechtens, wie meine Kollegen bei den Vertretern des Gesetzes sagen würden. Kollegen wie Israel Salguero, der nun keinen Grund mehr hatte, Deborah zu belästigen und ihre Karriere zu schädigen, nur weil der Mann mit dem schimmernden Schädel einigen Lärm in den Medien entfachte.
    Mit der Entsorgung von Doncevic hatte ich diese Unordnung beseitigt. Ich hatte getan, was Dexter tut, und meine kleine Ecke der Welt war nun ein winziges bisschen besser. Ich saß auf dem Stuhl und kaute ein wahrhaft schreckliches Sandwich, während ich mit Chutsky plauderte und tatsächlich Zeuge wurde, wie Deborah für volle drei Sekunden die Augen öffnete. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sie wusste, dass ich dort war, doch der Anblick ihrer Augäpfel war äußerst ermutigend, und ich begann, Chutskys ungezügelten Optimismus ein wenig besser zu verstehen.
    Als ich zur Arbeit zurückkehrte, fühlte ich mich sehr viel besser – was mich betraf und auch die Dinge im Allgemeinen. Ein erfreulicher und schöner Zustand, und er hielt den ganzen Weg zum Gebäude und zu meinem Kabuff an, wo Detective Coulter bereits auf mich wartete.
    »Morgan«, blaffte er. »Setzen!«
    Ich fand es ganz reizend von ihm, mir einen Platz auf meinem eigenen Stuhl anzubieten, deshalb setzte ich mich. Er musterte mich einen langen Moment und kaute dabei auf einem Zahnstocher herum, der in seinem Mundwinkel steckte. Er war ein birnenförmiger Mann, zu keiner Zeit besonders attraktiv, und im Augenblick noch weniger als üblich. Er hatte seine beträchtliche Kehrseite auf den Klappstuhl vor meinem Schreibtisch gezwängt und arbeitete außer an dem Zahnstocher an einer Riesenflasche Limo, die bereits Flecken auf seinem schmuddeligen weißen Hemd hinterlassen hatte. Seine Erscheinung, kombiniert mit der Art, wie er mich schweigend musterte, als hoffte er, dass ich in Tränen ausbrechen und irgendetwas gestehen würde, war gelinde gesagt extrem unerfreulich. Und so widerstand ich der Versuchung, in einem weinenden Haufen zusammenzubrechen, zog einen Laborbericht aus meinem Eingangskorb und begann zu lesen.
    Nach einem Moment räusperte sich Coulter. »Also gut«, begann er, und ich blickte auf und zog höflich eine Augenbraue hoch. »Wir müssen über Ihre Aussage reden.«
    »Welche?«
    »Nachdem Ihre Schwester niedergestochen wurde«, entgegnete er. »Einige Punkte passen nicht zusammen.«
    »In Ordnung.«
    Coulter räusperte sich erneut. »Also, äh – erzählen Sie mir noch einmal, was Sie gesehen haben.«
    »Ich habe im Auto gesessen«, begann ich.
    »Wie weit entfernt?«
    »Oh, vielleicht zwanzig Meter«, antwortete ich.
    »Mhm. Warum haben Sie sie nicht begleitet?«
    »Nun«, erwiderte ich, während ich dachte, dass ihn das nun wirklich nichts anging. »Warum hätte ich das tun sollen?«
    Er starrte noch ein wenig, dann schüttelte er den Kopf. »Sie hätten ihr helfen können. Vielleicht sogar den Typen davon abhalten, sie niederzustechen.«
    »Vielleicht«, gestand ich ihm zu.
    »Sie hätten sich wie ein Partner verhalten können«, sagte er. Es war eindeutig, dass der geheiligte Bund der Partnerschaft nach wie vor stark an Coulter zerrte, deshalb verkniff ich mir eine impulsive Bemerkung, und nach einem Augenblick nickte er und fuhr fort. »Die Tür ging also auf und – zack – stach er auf sie ein?«
    »Die Tür öffnete sich, und Deborah zeigte ihre Marke«, korrigierte ich.
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ja.«
    »Aber Sie waren zwanzig Meter weit weg?«
    »Ich habe sehr gute Augen«, erwiderte ich und fragte mich, ob alle meine heutigen Besucher so ungemein nervtötend sein würden.
    »Okay«, sagte er. »Und dann?«
    »Dann«, antwortete ich, während ich den Moment mit erschreckender Klarheit in Zeitlupe noch einmal durchlebte, »stürzte Deborah zu Boden. Sie versuchte aufzustehen und schaffte es

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