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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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abwandten, um das schwelende Haus zu betrachten. Mit dem Gedanken, dass dieser Nachmittag unmöglich noch besser werden konnte, machte ich kehrt und stapfte zu meinem Auto.
    Die Windschutzscheibe war gesprungen. Einer der herumfliegenden Haustrümmer hatte sie getroffen.
    Es gelang mir, nicht in Tränen auszubrechen. Ich stieg ein und fuhr nach Hause, und während der Fahrt spähte ich durch die gesprungene Scheibe und lauschte dem Hämmern in meinem Kopf.

23
    W egen meines explosiven Missgeschicks kam ich vor Rita nach Hause. Ich blieb einen Moment im Eingang stehen, einfach, um der ungewohnten Stille zu lauschen. Hinten im Haus knackte eine Rohrleitung, dann sprang die Klimaanlage an, doch es waren keine lebendigen Geräusche, und ich kam mir vor wie in einem Film, in dem alle anderen von einem Raumschiff entführt worden sind. Die Beule an meinem Kopf pochte, ich war sehr müde und sehr allein. Ich ging zum Sofa und ließ mich darauffallen, als hätte ich plötzlich keinen Knochen mehr im Leib, der mich aufrecht hielt.
    Eine Zeitlang blieb ich dort liegen, eine seltsame Pause in all der Dringlichkeit. Ich wusste, dass ich rasant in Aktion treten, Weiss aufspüren, am Pass abfangen, ihm in seiner Höhle entgegentreten musste, doch aus irgendeinem Grund war ich absolut unfähig, mich zu bewegen, und die fiese, kleine Stimme, die mich bis jetzt angetrieben hatte, klang momentan nicht sonderlich überzeugend, als brauche auch sie eine Kaffeepause. Deshalb blieb ich einfach mit dem Gesicht nach unten liegen und versuchte, das Gefühl der Dringlichkeit zu spüren, das mich verlassen hatte, was mir ebenso misslang wie das Spüren irgendwelcher anderer Empfindungen, abgesehen von Erschöpfung und Schmerz. Hätte jemand gebrüllt: »Achtung, hinter dir! Er hat eine Waffe!«, ich hätte nur mit einem müde gemurmelten »Sag ihm, er soll eine Nummer ziehen und warten« reagiert.
    Nach ich weiß nicht wie langer Zeit erwachte ich mit einer überwältigenden Empfindung von Trübsal, die absolut keinen Sinn ergab, bis ich fähig war, meinen Blick scharfzustellen. Vor mir stand Cody, nicht mehr als dreißig Zentimeter von meinem Kopf entfernt, in seiner offensichtlich nagelneuen Wölflingsuniform. Ich richtete mich auf, was meinen Kopf wie einen Gong zum Scheppern brachte, und betrachtete ihn.
    »Nun«, bemerkte ich. »Du siehst auf jeden Fall sehr offiziell aus.«
    »Blöd«, korrigierte er. »Shorts.«
    Ich betrachtete ihn in seinem dunkelblauen Hemd samt Shorts, dem kleinen Hut, der auf dem Kopf thronte, und dem Tuch, das um den Hals geschlungen war, und es schien nicht fair, alles auf die Shorts zu schieben. »Was hast du gegen Shorts?«, erkundigte ich mich. »Du trägst doch dauernd Shorts.«
    »Uniformshorts«, präzisierte er, als handelte es sich bei diesen um einen unmöglichen Anschlag auf die letzte Bastion menschlicher Würde.
    »Viele Menschen tragen Uniformshorts«, sagte ich, während mein geschundenes Hirn sich verzweifelt durch die Gänge schaltete, um ein Beispiel zu finden.
    Cody sah sehr zweifelnd drein. »Wer?«
    »Nun, äh, der Postbote trägt Shorts …« Ich brach rasch ab; der Blick, den er mir zuwarf, war lauter und eindeutiger als jede Bemerkung, die er hätte machen können. »Und, äh, die britischen Soldaten in Indien haben Shorts getragen«, ergänzte ich mit unglaublich schwacher Hoffnung.
    Er starrte mich einen weiteren Moment schweigend an, als hätte ich ihn schwer enttäuscht, nachdem nun alle Karten auf dem Tisch lagen. Und ehe ich mir ein anderes glänzendes Beispiel einfallen lassen konnte, stürmte Rita das Zimmer.
    »Oh, Cody, du hast ihn doch nicht geweckt, oder? Hallo, Dexter, wir waren einkaufen, wir haben ALLES bekommen, was Cody für die Pfadfinder braucht, die Shorts gefallen ihm nicht, ich glaube, weil Astor sagte … Mein Gott, was ist denn mit deinem Kopf passiert?« Das alles durch zwei Oktaven und acht Emotionen, ohne ein einziges Mal Luft zu holen.
    »Es ist nichts«, sagte ich. »Nur eine Fleischwunde.« Das wollte ich immer schon mal sagen, obgleich ich nie genau gewusst habe, was es eigentlich bedeuten soll. Sind nicht alle Wunden Fleischwunden, es sei denn, man umgeht das Fleisch und trifft direkt den Knochen?
    Nichtsdestotrotz veranstaltete Rita einen befriedigenden Aufstand, scheuchte Cody und Astor fort und holte mir einen Eisbeutel, ein Federbett und eine Tasse Tee, ehe sie sich neben mich auf das Sofa warf und zu wissen begehrte, was mit meinem armen, geliebten

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