Die schoene Luegnerin
an, als sie die Taschentücher auf dem Tisch verteilte und vier silberne Becher aus der Tasche nahm. Wenn sie auf Reisen war, hatte sie immer ein paar bei sich, weil ihre Mutter ihr verboten hatte, aus den Tassen, die andere Menschen benutzt hatten, zu trinken.
Dallas beobachtete alles fasziniert, und als Carrie die vier Silberbecher auf den Tisch gestellt hatte, riskierte das Kind einen Blick in die Taschen, die verzaubert zu sein schienen und wie im Märchen alles, was man sich auf der Welt wünschte, enthielten.
Schon im nächsten Augenblick holte Carrie eine Kristalldose, in der sie normalerweise ihre Haarnadeln aufbewahrte, hervor und wischte sie mit einem sauberen Taschentuch aus, dann füllte sie die Erdbeermarmelade hinein. So etwas hatte Dallas noch nie gesehen, bis jetzt hatten immer die Einmachgläser, Dosen und Töpfe auf dem Tisch gestanden, wenn sie gegessen hatten, und es war ihr gänzlich neu, daß man die Speisen in hübschen Schüsseln oder Schälchen anrichtete. Carrie schnitt das Brot in Scheiben und plazierte es auf einem weiteren Taschentuch in die Mitte des Tisches, dann trat sie einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.
»Sehr hübsch, findest du nicht? «
Dallas nickte sprachlos. Das Kerzenlicht spiegelte sich in den Silberbechern und dem Kristall, und die Farben des Schals schimmerten und leuchteten. Das war der schönste Tisch, den Dallas je gesehen hatte. Und überhaupt — gleich nach dieser Frau, die behauptet hatte, ihre neue Mutter zu sein, nach der Puppe, die sie im Arm hielt, und dem kleinen Hund, war der Tisch das Allerschönste, was Dallas je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatte.
Als Dallas strahlend zu ihr aufblickte, lächelte Carrie.
In diesem Moment kamen Josh und sein Sohn ins Haus. Carrie bemerkte sofort, daß das Abladen von einigen zwanzig Koffern voll mit Frauenkleidern Joshs Laune keinesfalls verbessert hatte. »Sie sind alle in der Scheune aufgestapelt«, erklärte er mit unbeweglicher Miene. »Natürlich haben wir jetzt keinen Platz mehr für das Pferdefutter, und die Geräte und Werkzeuge mußten wir auch ins Freie schaffen. Wenn es heute Nacht regnet, gibt es eine Katastrophe, aber Ihre Koffer stehen alle im Trockenen und sind sicher. « Er schaute auf den Tisch, den sein Sohn schon seit geraumer Zeit mit offenem Mund anstarrte. »Was soll das sein? «
»Abendessen«, entgegnete Carrie stolz und wartete insgeheim auf sein Geständnis, daß er sich in ihr getäuscht hatte. Er hatte seinen Kindern versprochen, daß sie an diesem Abend ein Essen zubereiten würde, und genau das hatte sie getan. »Die Kinder müssen hungrig sein«, fügte sie hinzu.
Josh nahm stirnrunzelnd das Schälchen mit der Marmelade in die Hand und betrachtete das ordentlich geschnittene Brot, das auf einem mit gesticktem Monogramm versehenen Taschentuch lag. »Brot und Marmelade«, schnaubte er verächtlich. »Das ist nicht unbedingt ein geeignetes Abendessen für Kinder, oder? «
Carrie funkelte ihn wütend an, offenbar war er unfähig, zuzugeben, daß er sie falsch beurteilt hatte. »Ich mußte mich mit dem behelfen, was im Haus war«, versetzte sie. »Niemand, nicht einmal dieses perfekte arbeitsame Wesen, das Sie erwartet haben, hätte aus den spärlichen Vorräten ein Essen kochen können. «
»Wir haben einige Konserven«, beharrte Josh, ohne auch nur einen Zoll nachzugeben. »Sie hätten uns etwas warm machen können. Und weshalb brennt kein Feuer? Hier drin ist es sehr kalt, und Sie hätten wirklich ein wenig einheizen sollen. «
Die Kinder sahen verwirrt von ihrem Vater zu Carrie und wieder zurück. Er hatte ihnen mehrmals eingeschärft, nett zu der Frau zu sein, die zu ihnen kommen und auf sie achtgeben sollte, und jetzt war er selbst alles andere als nett.
Carrie schaute Josh unverwandt an, ohne sich mit einem Wort gegen seine Anklagen zu wehren.
Schließlich schüttelte Josh ungläubig den Kopf. »Jetzt verstehe ich. Sie haben keine Ahnung, wie man eine Dose öffnet, stimmt’s? Und ich vermute, daß Sie auch nicht wissen, wie man Feuer macht. «
Er hatte recht, aber Carrie hatte nicht vor, ihm das zu sagen. Statt dessen ließ sie ihn nicht aus den Augen und blieb schweigend stehen.
Dallas war den Tränen nahe. »Papa, ich mag Marmeladebrot«, rief sie. »Möchtest du dir meine neue Puppe anschauen? Du kannst ihr einen Namen aussuchen, wenn du willst, aber es wäre schön, wenn dir Elsbeth gefallen würde. «
Joshs Gesichtsausdruck veränderte sich sofort,
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