Die schoene Luegnerin
knirschenden Rädern vor der Tür des Gebäudes. Das Dach des Gefährts war nicht nur mit Pfeilen gespickt, sondern auch von Kugeln durchlöchert, und an der hinteren Achse war ein edles Reitpferd angebunden.
»Was ist euch denn passiert? « fragte jemand lautstark den Kutscher.
Josh war sicher, nie einen erschöpfteren Mann gesehen zu haben. Der Trunkenbold war heute stocknüchtern, aber er hatte dunkle Ringe unter den Augen und sah aus, als hätte er sich seit einer Woche nicht rasiert. Sein linker Mundwinkel zuckte.
»Was uns passiert ist? « wiederholte der Kutscher, als er schwankend abstieg. »Räuber haben uns angegriffen. Einige betrunkene Cowboys sind von Indianern gejagt worden, und als wir in Sicht kamen, hat sich die ganze Bande auf uns gestürzt. Wir sind in eine Herde wilder Büffel geraten... Es gibt nichts, was uns nicht passiert ist. «
Allmählich begeisterte sich der Kutscher selbst für seinen Vortrag, und er genoß es, ein so großes Publikum zu haben. »Aber wir hatten einen verrückten Mann an Bord. Sein Name ist Montgomery. «
Carrie warf Josh einen triumphierenden Blick zu.
»Der Bursche hat gesagt«, führ der Kutscher fort, »daß er eine Verabredung hätte, die er einhalten muß. Er hat gesagt, daß er zu einem ganz bestimmten Datum in Eternity sein muß. Ich sag’ euch, der Kerl ist verrückt. Wir sind mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Gegend gerast, und was macht der Bursche? Er klettert aus dem Kutschenfenster, springt auf sein Pferd —« er deutete auf den hinteren Teil seines Gefährts — »und verscheucht, als ob’s gar nichts wär’, die Büffelherde, die auf uns zustampft. Er hat nicht mal zugelassen, daß ich das Tempo verlangsame. Als die Cowboys uns angegriffen haben, hat er seine Pistolen genommen und ihnen die Hüte von den Köpfen geschossen. Das fanden die Indianer so lustig, daß sie uns mit Pfeilen bombardiert haben. Ich sag’ euch, der Mann ist wirklich verrückt. «
Inzwischen hatte er die Trittleiter vor die Kutschentür gestellt, und seine Fahrgäste stiegen aus. Sie alle sahen aus, als wären sie der Hölle entflohen. Ihre Kleider waren schmutzig und zerrissen, ihre Gesichter leichenblaß und starr vor Schreck. Die Frauen waren in Tränen aufgelöst und zitterten am ganzen Leib. Sie waren nicht mehr in der Lage, sich auf den Beinen zu halten und sanken den wartenden Menschen kraftlos in die Arme. Es war ihnen vollkommen gleichgültig, daß ihre Kleider zerfetzt und ihre Frisuren zerzaust waren. Ein Mann blutete aus einer Armwunde, ein anderer hatte drei Einschußlöcher in seinem Hut. Der dritte versuchte sich eine Zigarre anzuzünden, aber seine Hände zitterten so sehr, daß er das Streichholz nicht an die Zigarrenspitze halten konnte. Als einer der Stadtbewohner auf ihn zuging, um ihm zu helfen, stöhnte der Mann: »Ich brauche was zu trinken. «
»Welcher ist Ring? « fragte Josh überrascht, weil Carrie keine Anstalten machte, einen der Männer zu begrüßen. Sie gab keine Antwort sondern starrte wortlos auf die Kutschentür.
Einige Zeit später, als die anderen Passagiere bereits ausgestiegen waren, erschien ein weiterer Mann auf der Trittleiter. Er war sehr groß — über einsachtzig —, kräftig und außergewöhnlich gutaussehend. Er trug einen dunklen Anzug, der ganz sicher, wie Josh gleich registrierte, eine hübsche Stange Geld gekostet hatte. Ganz anders als die anderen derangierten, verängstig' ten Fahrgäste, wirkte dieser Mann in keiner Weise erschöpft und so ruhig, als käme er von einem erfreulichen Sonntagsausflug zurück, kein Stäubchen verunzierte seine makellose Erscheinung.
Josh beobachtete, wie der Mann auf die Leute zuging und strahlend lächelte. Eine der Frauen, die mit ihm gereist waren, brach erneut in Tränen aus, als sie ihn ansah, und verbarg ihr Gesicht an der Schulter einer anderen Frau. Der Mann langte in seine Jackentasche und zog eine dünne Zigarre hervor. Mit ruhiger Hand riß er ein Streichholz an und setzte die Zigarre in Brand. Als er den ersten Zug genoß, schien er sich überhaupt nicht bewußt zu sein, daß ihn etwa hundert Menschen fasziniert anstarrten. Beiläufig entfernte er ein unsichtbares Staubkörnchen von seiner Schulter und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
»Weißt du jetzt, welcher Ring ist? « fragte Carrie ernst.
Josh ergriff beruhigend ihre Hand.
Als hätte er schon die ganze Zeit gewußt, wo sie standen, wandte sich Ring seiner Schwester zu.
»Hallo, mein Liebes«,
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