Die schöne Mätresse
Miss. Er ist … Er hat hohes Fieber.“
„Ich habe eine erfahrene Feldkrankenschwester mitgebracht, Baines. Sie werden sie einlassen und ihre Anweisungen genau befolgen.“
Emily wappnete sich innerlich gegen die abweisende Reaktion des Dieners. Sie war wild entschlossen, jedes Hindernis zu überwinden. Nichts und niemand konnte sie jetzt noch von Evan fern halten.
19. KAPITEL
B aines wandte sich ihr zu und zuckte zusammen. Bevor Emily oder Miss Marlowe indes etwas sagen konnten, trat er einen Schritt zur Seite. „Was auch immer Sie ausrichten können, Ma’am – ich wäre Ihnen zutiefst dankbar dafür.“
Mit einem Nicken ging sie an ihm vorbei. Angesichts des Bildes, das sich ihr bot, hätte sie beinahe laut aufgeschrien.
Evan lag in seinem zerrissenen Hemd auf dem Bett, mit verschmutzten und blutigen Bandagen um seine rechte Hand und den Arm. Sein Haar klebte vor Dreck und Blut. Selbst in dem gedämpften Licht konnte sie den fiebrigen Glanz seiner Haut erkennen, die trockenen, aufgesprungenen Lippen, seinen sich windenden Körper, der gegen das Fieber ankämpfte.
„Diese schmutzigen Verbände müssen sofort abgenommen werden! Baines, rufen Sie einen Diener, der Ihnen dabei hilft. Kopf und Arm Seiner Lordschaft müssen gewaschen werden. Bringen Sie mir heißes Wasser und Seife, saubere Leintücher für die Bandagen. Und schicken Sie jemanden zu Lord Maxwell, um mein Dienstmädchen Francesca zu holen. Sie soll all meine Arzneien mitbringen. Sofort!“
Eine Schüssel klares Wasser stand neben dem Bett. Offenbar hatte Baines die Stirn seines Herrn gekühlt. Emily zog sich einen Stuhl heran, befeuchtete ein Tuch und begann, sanft das Blut von der verkrusteten Wunde über seinem Auge zu waschen.
Im schwachen Licht konnte sie nicht unterscheiden, ob das Auge selbst oder nur die Haut daneben verletzt war, so geschwollen und entstellt war es. Nachdem sie das blutige Tuch ausgewaschen hatte, befreite sie seinen Arm vorsichtig von einigen Bandagen.
Als sie endlich damit fertig war, seine Wunden zu untersuchen und sämtliche schmutzigen Verbände zu entfernen, rollten Tränen über ihre Wangen.
Trotz der tiefen Messerschnitte und des Mangels an medizinischer Versorgung war sie etwas beruhigter. Sein Herzschlag war stark, seine Atmung regelmäßig. Aufgrund ihrer Erfahrung mit Kranken glaubte sie, dass er gute Chancen hatte, wieder gesund zu werden – allerdings nur, wenn es gelang, die Wunden zu säubern und das Fieber zu senken.
Als Emily den Kopf hob, sah sie Miss Marlowe, deren Anwesenheit sie völlig vergessen hatte. Evans Verlobte stand an der Tür und beobachtete sie schweigend.
Emily wusste nicht, inwieweit ihre Miene sie verraten hatte. Momentan war es aber das Wichtigste, ihn vom Fieber zu befreien.
„Eine Kutsche wartet auf Sie, wann immer Sie aufbrechen wollen“, wisperte Miss Marlowe. „Wie kann ich Ihnen jemals danken?“
Da sie damit beschäftigt war, das Tuch auszuwringen, antwortete Emily nicht sofort, und als sie aufblickte, war Miss Marlowe verschwunden.
Bald darauf trat Francesca mit einer Tasche ein. „Ich habe Tee mitgebracht und einen Breiumschlag. Kommen Sie, er muss etwas trinken.“
Baines half ihnen dabei, Evan aufzurichten und ihm die Flüssigkeit in den Mund zu träufeln. Mit einem unverständlichen Gemurmel schluckte Evan.
Emily verlor jedes Zeitgefühl, während sie die Routine befolgte, die ihr schon in mancher Situation hilfreich gewesen war – bei Andrew, als er bei Corunna einen Säbelhieb an der Seite erlitten hatte, oder bei seiner Armverletzung in Talavera. Sie erinnerte sich auch an das zerschmetterte Bein seines Burschen Harrison oder an Roberts klaffende Wunde an der Schulter, die sie erfolgreich auf diese Weise behandelt hatte.
Sie tupfte unermüdlich sein Gesicht ab, legte Breiumschläge auf seine geschwollene Hand und den Arm und eine kalte Kompresse auf sein verletztes Auge. Dazwischen hob sie ihn immer wieder an und zwang ihn dazu, etwas Tee oder Brühe zu trinken. Sie säuberte vorsichtig die Wunden mit klarem Wasser und spülte sie mit etwas Brandy aus, was Evan trotz seines Fieberwahns aufschreien ließ.
Einmal, als sie die Tasse an seine Lippen hielt, öffnete er die Augen. Er schien sie nicht zu erkennen, und nach einem Moment schloss er die Lider wieder. Doch als sie die Tasse absetzte, packte seine gesunde Hand ihre Finger mit einem erstaunlich festen Griff. Sie drückte seine Hand, streichelte seinen Daumen. Nach einer Weile seufzte er auf,
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