Die schöne Mätresse
entspannte sich, und er schlief wieder ein.
Schließlich wurde seine Haut kühler, sein Schlaf weniger ruhelos. „Haben Sie begriffen, was zu tun ist?“ erkundigte sie sich bei Baines. „Waschen Sie ihn immer wieder mit kaltem Wasser ab, um das Fieber zu senken. Außerdem müssen Sie ihm ständig Flüssigkeit zuführen. Wenn der Arzt kommt und nach Blutegeln, Schießpulver oder Ähnlichem fragen sollte, holen Sie mich sofort.“
„Ja, Ma’am. Und danke.“
Plötzlich fühlte sie eine tiefe Erschöpfung und wandte sich zu Francesca um. Wortlos half ihr die Zofe auf. „Keine Sorge, Mistress. Er ist stark. Gott wacht jetzt über ihn.“
Emily war überrascht, dass sich bereits die Morgenröte am Himmel zeigte, als ein Lakai sie zu der wartenden Kutsche führte. Bevor er ihr hineinhalf, blickte sie ein letztes Mal auf das Stadthaus.
Welche Gerüchte auch immer durch ihren abendlichen Besuch entstehen würden, sie war über alle Maßen froh, dass sie gekommen war. Evans Genesung war zwar noch nicht sicher, aber immerhin hatte sich ihre unsägliche Angst etwas gelegt. Francesca hatte Recht – sein Schicksal lag jetzt in Gottes Händen.
Unwillkürlich musste Emily lächeln. Nicht einmal Gott würde es wagen, Evan Mansfield, Earl of Cheverly, etwas abzuschlagen. Evan öffnete sein gesundes Auge, da das andere dick verbunden war. Schwaches graues Licht fiel durch die geschlossenen Fensterläden, und eine Kerze brannte auf dem Nachttisch.
Er stellte fest, dass er in seinem Schlafzimmer am Portman Square war. Auf irgendeine Weise wusste er, schon eine ganze Weile hier gelegen zu haben. Dennoch erinnerte er sich nur vage an die Ereignisse, nachdem er der geheimnisvollen Gestalt aus seinem Quartier gefolgt war.
Lediglich einige wenige Szenen standen ihm vor Augen, die aus einem Traum zu stammen schienen. Der Augenblick, als das Messer auf ihn niedergefahren war und er sich gefragt hatte, ob er wie Geoff mit aufgeschnittener Kehle enden würde. Die Attacke hatte ihn zu Boden geworfen, und anschließend hatte er mit seinem Feind gekämpft. Gleichzeitig war ihm etwas Warmes über Gesicht und Arme gelaufen, hatte seine Sicht getrübt und seine Hände glitschig gemacht. Dann ein heiserer Aufschrei, als seine eigene Klinge bis zum Knochen vorgedrungen war. Das Geräusch von rennenden Füßen, eine schmerzhafte Kälte in seinem Gesicht und schreckliche Schmerzen, die kein Ende zu nehmen schienen.
Im Fieberwahn hatte ihn immer wieder derselbe Traum heimgesucht – der dunkelhaarige Soldat von der Miniatur, der neben seinem Bruder auf einer Veranda stand. Beide blickten auf ihn herab und lachten. „Narr. Du wolltest ein Held für sie sein, ein Mann, den sie lieben könnte“, hatte ihn der Soldat verspottet. „Und was hast du damit erreicht?“
Ja, hatte er etwas erreicht? Wer hatte ihn angegriffen? Der Mann, dem er gefolgt war? Einer der Verdächtigen oder ein völlig anderer? Waren Lord Blackwells Agenten rechtzeitig eingetroffen, um die Angreifer zu überwältigen?
Evan hatte nicht die leiseste Ahnung.
Die rechte Seite seines Gesichts brannte wie Feuer, in seiner Schulter pochte es dumpf. Seine rechte Hand konnte er nicht einmal spüren. Er versuchte, sie zu bewegen. Ein unerträglicher Schmerz fuhr durch den Daumen bis in die Knochen und explodierte in seinem Kopf.
Als er das Bewusstsein wiedererlangte, drangen bereits Sonnenstrahlen durch die Fensterläden. Er hielt es für besser, seine verbundene Hand nicht noch einmal zu bewegen. Stattdessen betastete er mit den gesunden Fingern seine verletzte Seite.
Sein Auge … Würde er damit noch sehen können? Der Gedanke, halb erblindet zu sein, jagte ihm unbeschreibliche Angst ein. Bis er an Richard und Geoffrey dachte. Ein teilweiser Verlust des Sehvermögens wäre ein durchaus angemessener Preis, den er für eine gelungene Mission gerne bezahlen wollte.
Aber war er erfolgreich gewesen? Er wusste nur sicher, dass sein Auge, die Schulter und die rechte Hand verletzt waren und dass er seit geraumer Zeit im Wundfieber gelegen hatte.
Seine Träume waren allesamt beängstigend und bitter gewesen – alle bis auf einen. Als er einmal die Augen geöffnet hatte, war ihm Emily erschienen. Seine wunderschöne Emily, die an seinem Bett saß. Ihre geschickten Hände wuschen seine Stirn ab, während ihre vertraute Stimme flüsterte: „Ich liebe dich, Evan. Ich liebe dich.“ Er hatte ihre Hand ergriffen, um sie nicht fortzulassen, und sie hatte den Druck seiner Finger
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