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Die schöne Mätresse

Die schöne Mätresse

Titel: Die schöne Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Justiss
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als Lear. Ihr Interesse war geweckt. Und das Theater … In Lissabon war sie sehr gerne zu Aufführungen gegangen. Ihr Schwiegervater war immer noch nicht in der Stadt; Francesca hatte es gerade in Erfahrung gebracht. Warum sollten sie heute Abend eigentlich nicht ins Theater gehen?
    Würde Evan ebenfalls anwesend sein? Sie wusste nicht, ob er bereits nach London zurückgekehrt war. Er liebte die Stücke von Shakespeare. Eine unerwartete Wärme breitete sich in ihr aus.
    Doch die Möglichkeit, dass er sie ebenfalls dort sehen würde, beunruhigte sie.
    Sie überlegte. Nun, es war weder in seinem Interesse noch in ihrem, wenn er vor der Gesellschaft die Bekanntschaft mit ihr einräumte. Und falls er unter den Zuschauern war, dann begleitete ihn höchstwahrscheinlich seine Verlobte.
    Natürlich war es ebenso möglich, dass er nicht dort war. London bot unzählige andere Ablenkungen für eine Familie, die in Trauer war.
    Sollte er dennoch anwesend sein, würde sie ihn eben nicht beachten, natürlich nicht. Schließlich wollte sie nur das Theaterstück sehen, um sich die Zeit zu vertreiben.
    Lächelnd rief sie Francesca und bat sie, Eintrittskarten zu besorgen. Anschließend redete sie sich ein, dass ihre Aufregung nur von der Vorfreude herrührte, Mr. Hampton als Lear zu erleben.
    Von ihrem Platz im unteren Rang aus schaute sich Emily gespannt um. Sie hatte so lange an keinem gesellschaftlichen Ereignis mehr teilgenommen, dass sie von all den Geräuschen, Farben und Eindrücken überwältigt war.
    Im Parkett saßen mehrere extravagant gekleidete junge Burschen unter Geschäftsleuten, Sekretären und einigen finster wirkenden Gestalten, die sie für Taschendiebe hielt. Der Duft von Blumen vermischte sich mit dem penetranten Geruch ungewaschener Körper, billigem Parfüm und Pfeifentabak. Dann begegnete einer der Gecken ihrem Blick und zwinkerte ihr zu.
    Um ihn nicht zu weiteren Dreistigkeiten zu ermutigen, sah sie schnell zu den Logen hinauf. Vielleicht war es unklug von ihr gewesen, Karten zu kaufen. Sie hätte sich in einer Loge sicherer gefühlt, hätte sie sich eine leisten können.
    Doch selbst wenn ihre finanziellen Mittel für eine Loge ausgereicht hätten … Was, wenn Evan die Loge neben ihr betreten hätte? Diese Vorstellung jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    Sie beobachtete die geschmackvoll gekleideten, juwelengeschmückten Mitglieder der Gesellschaft, die lachend ihre Plätze einnahmen und sich Grüße zuriefen. Zweifellos hätte es ihnen nicht gefallen, wenn die Hutmacherin Madame Emilie zwischen ihnen gesessen hätte.
    Zum ersten Mal seit Andrews Tod empfand sie das volle Ausmaß ihrer gesellschaftlichen Isolation – unter den Bürgern, zu denen sie nun gehörte, hatte sie keine Freunde, und die Aristokratie hatte sie aus ihren Reihen verbannt. Ihre Einsamkeit in Spanien war verständlich gewesen, schließlich war sie aus einem fremden Land gekommen. Doch in England war sie bislang zu beschäftigt gewesen, um über ihre Stellung nachzugrübeln.
    Unsinn, dachte sie und wandte ihren Blick wieder der Bühne zu, wo ein Schauspieler den baldigen Anfang des Stückes ankündigte. Nun, sie würde nicht ihre kostbare Zeit damit verschwenden, sich unnötige Gedanken über Dinge zu machen, die nicht zu ändern waren.
    Eine Bewegung in einer der oberen Logen erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie erschrak. Obwohl der Gentleman ihr den Rücken zukehrte, während er den Stuhl seiner Begleiterin zurechtrückte, erkannte sie ihn sofort. Es war Evan.
    Er drehte sich in ihre Richtung. Sie wagte es nur, ihn kurz anzusehen.
    Begierig nahm sie jedes Detail seines geliebten Gesichtes in sich auf. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, und seine Züge wirkten ungewohnt hart. Oder war dieser Eindruck lediglich dem gedämpften Licht zuzuschreiben?
    Dann wandte sie schnell den Kopf ab, bevor er sie bemerkte. Er durfte sie nicht dabei ertappen, wie sie zu ihm hinaufstarrte wie ein liebeskrankes Mädchen!
    Als sich ihr wilder Herzschlag endlich etwas beruhigt hatte, war der erste Akt beinahe vorüber. Entschlossen hielt sie den Blick auf die Bühne gerichtet.
    Obwohl sie sich Evans Anwesenheit ständig bewusst war, gelang es ihr, sich auf das Stück zu konzentrieren. Bei Beginn der ersten Pause schaute sie sich nervös um.
    Sie konnte kaum noch dem Verlangen widerstehen, zu ihm hinaufzuspähen. Ob sie einen schnellen Blick wagen sollte? Nur um herauszufinden, ob seine Verlobte blond oder brünett war und ob sie freundlich

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