Die schöne Mätresse
Aber … nun, ich möchte nach London zurückkehren.“
Wieder diese schwache Hoffnung, die er jedoch sofort beiseite schob.
„Du musst nicht zurückgehen, Andy. Ich werde wenigstens für einige Tage nach London fahren, aber Mama kann mich begleiten und sich um die Hochzeitsvorbereitungen kümmern.“
„Nein, ich möchte mitkommen. Ich glaubte, hier auf Wimberley würde ich mich besser fühlen, aber das trifft nicht zu. Oh Evan! Überall sehe ich Richard vor mir – seine Pferde, seine Bücher, sein Jagdgewehr. Sogar der Raps, den er unbedingt im Graben pflanzen wollte … Ach, wie dumm von mir …“ Sie kämpfte mit den Tränen.
Evan schloss sie in die Arme. „Natürlich werde ich dich zurückbringen. Du musst dich nicht in der Öffentlichkeit zeigen oder Besucher empfangen, wenn du nicht willst.“
„Ehrlich gesagt, würde ich sogar gerne ausgehen. Natürlich nicht zu Bällen oder Soireen, aber vielleicht ein Besuch in Hampton Court oder im Theater … Ich habe auch Freunde, die mich vielleicht ablenken können. Außerdem muss ich mich nun nicht mehr darum sorgen, einen guten Eindruck auf unverheiratete Gentlemen oder ihre Mamas zu machen.“ Sie blickte auf und lächelte ihm zu. „Denn jetzt habe ich dich. Es tut mir nur Leid, dass ich eine solche Belastung bin.“
Er betrachtete ihr sanftes, freundliches Gesicht. Eigentlich hätte er jetzt erklären müssen, wie sehr er sich darüber freue, sie bald zu heiraten. Stattdessen brachte er nur hervor: „Du warst niemals eine Belastung.“
Ihr Lächeln vertiefte sich. „Danke, Evan. Du bist so gut zu mir. Nun, dann werde ich gleich mit dem Packen beginnen!“
Er küsste sie brüderlich auf die Wange. Seine Zurückhaltung schien sie nicht zu stören, denn sie tätschelte ihm die Hand und verließ den Raum.
Wenn sie bald abreisen wollten, würde er sich am besten mit Richards Unterlagen beeilen. Doch während er sich erneut an die Arbeit machte, kamen ihm wieder diese zwei Wörter in den Sinn, die ihn noch lange beschäftigen sollten: London. Emily.
11. KAPITEL
E mily saß an dem Tisch ihres neuen Empfangszimmers, das zuvor ihre Schlafkammer gewesen war. Sie blickte hinüber in ihr Atelier, wo die ersten fertig gestellten Toiletten hingen.
Ihre Kundinnen hatten mit überschwänglichem Lob und zahlreichen neuen Aufträgen reagiert, die sie im Voraus bezahlt hatten. Sie verstaute die Gold- und Silberstücke in ihrer Börse und seufzte tief.
Eigentlich sollte sie äußerst zufrieden mit sich und ihrem neuen Salon sein, und das war sie in einem gewissen Maße auch. Sie war stolz darauf, auf ihre eigenen Fähigkeiten vertraut zu haben, als sie in Evans Vorschlag eingewilligt hatte.
Außerdem war sie nun in der Lage, Drew an den Wochenenden zu sich zu nehmen. Es war eine überwältigende Freude, zwei Tage lang die Gesellschaft ihres Sohnes genießen zu können. Zuvor hatte sie ihn immer nur an den Sonntagen für wenige Stunden besucht. Also hatte sie keinen Grund, melancholisch zu sein.
Falls ihre Geschäfte so weiterliefen wie bisher, würde sie innerhalb eines Jahres Evan die volle Summe zurückzahlen können, die er ihr vorgestreckt hatte. Evan.
Ihr Blick wanderte durch den Raum. Hier, in dieser Kammer, hatte er sie zum ersten Mal zum Bett getragen. Dort an der Balkontür hatte er sie ausgekleidet – weil er das Mondlicht auf ihrer Haut sehen wollte, wie er erklärt hatte.
Ihr Körper begann zu prickeln, und sie errötete. Ihre einmal erweckte Leidenschaft hatte sich als äußerst hartnäckig erwiesen. Sie schien außer Stande, ihr Verlangen zu unterdrücken.
Doch selbst die harmloseren Erinnerungen waren nicht weniger schmerzlich. Nebenan, wo nun die Näherinnen arbeiteten, hatten sie zusammen diniert, gesprochen und gelacht.
Emily kämpfte mit den Tränen. Warum erinnerte sie nur alles an ihn?
In ihrem neuen Haus – ihrem gemeinsamen Haus – war es noch schlimmer. Sie wusste sehr wohl, dass er jeden Teppich, jeden Teller, jeden Sessel und jede einzelne Vase speziell für sie ausgesucht hatte. Dort hatten sie diese wenigen glücklichen Monate zusammengelebt.
Verdammt! Emily sprang auf. Sie entwickelte sich allmählich zu einer jammernden, schwachen Heulsuse!
Sie brauchte eine Ablenkung, um ihre Gedanken zu sammeln.
Ihr Blick fiel auf die Post, die Francesca vor einer Weile hereingebracht hatte. Darunter befand sich die Ankündigung der Premiere von Shakespeares „König Lear“, mit dem berühmten Mr. Hampton in der Hauptrolle.
Hampton
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