Die schöne Mätresse
beschützend vor Emily, die mit gesenktem Kopf seinen Worten zu lauschen schien.
Offensichtlich hatte Brent etwas Amüsantes geäußert, da sich ihre Lippen zu einem Lächeln kräuselten.
Evan ging noch einen Schritt auf sie zu. Mit einem Mal kehrte sein gesunder Menschenverstand zurück. Was sollte er sagen oder tun? Auch das kürzeste Gespräch zwischen ihnen würde nur zu wilden Gerüchten in der Gesellschaft führen. Es gab zu viele neidische und übel meinende Personen, die mit Wonne Klatsch über ihn und Emily verbreiten würden.
Selbst ihr Zusammensein mit Brent wurde bereits registriert. Doch weil er ein jüngerer Sohn ohne Titel oder größeres Vermögen war, konnte Brent nach seinem Belieben handeln, ohne das Interesse der Gesellschaft zu wecken.
Leider verhielt es sich bei Evan anders. Jedes seiner Worte, selbst die kleinste Geste wurde stets wahrgenommen und sofort interpretiert. Nein, er durfte nicht zu ihr gehen.
Mit zusammengebissenen Zähnen zwang er sich dazu, der Versuchung zu widerstehen.
Wie schön sie heute Abend war! Wie gerne hätte er ihre sinnliche Stimme gehört, ihren süßen Lavendelduft eingeatmet. Er musste sich damit begnügen, sie mit den Augen zu liebkosen, statt sie in seine Arme zu schließen. Sein Blick wanderte über ihre glänzenden Locken, ihr Gesicht und über ihren zarten Hals.
Während er sie mit einem Verlangen betrachtete, das ihm den Atem raubte, dämmerte ihm plötzlich das ganze Ausmaß seiner Selbsttäuschung. Er würde Emily niemals vergessen, so entschlossen er auch sein mochte, mit seinem Leben fortzufahren. Bis zum letzten Atemzug würde er sie in sich tragen, in seinem Herzen, unter seiner Haut. Und er würde immer den Schlag ihres Herzens spüren, wie beim letzten Mal, als sie eng aneinander geschmiegt auf dem Bett geruht hatten.
Ein Theatergast streifte ihn, und er taumelte zurück. Allmählich kehrten die Besucher wieder auf ihre Plätze zurück. Ohnmächtig sah er zu, wie Brent ihre Hand nahm und sie wegführte.
Erst als sich das Foyer zum größten Teil geleert hatte und ihn die wenigen Anwesenden neugierig anstarrten, stieg er langsam die Stufen zu seiner Loge hinauf.
Er ignorierte die fragende Miene seiner Mutter, die sich über sein spätes Erscheinen wunderte. Sofort spähte er wieder über die Brüstung nach unten. Er beobachtete Emily und Brent während des restlichen Stückes, ohne auch nur einmal wegzusehen. Oft beugte sich Brent vertraulich zu ihr und erzählte ihr etwas, und sie antwortete lächelnd.
Ihr Schwiegervater musste immer noch abwesend sein, wenn sie es für sicher genug hielt, auszugehen. Doch sie sollte nicht dort unten in der Menge sitzen, wo sie den Aufdringlichkeiten jedes unverschämten Schurken ausgesetzt war. Wieder ergriff ihn unbändige Wut. Er konnte es kaum abwarten, Willoughby zu einem Boxkampf herauszufordern.
Für den Rest der Saison sollte sie eine eigene Loge besitzen, die jederzeit zu ihrer Verfügung stand. Gleich morgen würde er mit Manners darüber sprechen.
Allmählich wich die Lethargie von ihm, die ihn während der letzten Wochen befallen hatte. Er würde Manners auch bitten, sich über ihre geschäftlichen Fortschritte zu informieren. Und warum sollte er den Anwalt nicht beauftragen, ihr das Stadthaus zu überschreiben? Er würde eine gewisse Summe für die Erziehung ihres Sohnes hinterlegen, eine weitere, um ihr bei möglichen finanziellen Schwierigkeiten zu helfen. Auf diese Weise würde sie niemals mehr jemanden um Hilfe bitten müssen oder – sein Blick ruhte kurz auf Brent – sich verpflichtet fühlen, ihre Schulden auf die eine oder andere Art zu begleichen.
Während des restlichen Abends weidete er sich voller Verlangen an ihrem Anblick. Er stieg erst in die wartende Kutsche, als er sich vergewissert hatte, dass ihre eigene sich in Bewegung setzte. Mit gerunzelter Stirn nahm er wahr, wie Brent sie begleitete.
Dann, zum ersten Mal seit über einem Monat, verzogen sich seine Lippen zu einem ehrlichen Lächeln. Gleich morgen früh würde er den Anwalt aufsuchen. Dann würde er gespannt auf Manners’ Bericht warten, wie die überaus unabhängige Mrs. Spenser auf seine Geschenke reagiert habe.
Zehn Tage später saß Mr. Manners bei einem Glas Portwein vor Evan und erstattete ihm den ersehnten Bericht.
„Sie ist eine äußerst ehrgeizige Dame, und vermutlich wird sie große Erfolge erzielen“, begann der Anwalt. „Ich glaube, Ihre Investition wird einen beachtlichen Gewinn
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