Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schoene Muenchnerin

Die schoene Muenchnerin

Titel: Die schoene Muenchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaemmerer Harry
Vom Netzwerk:
in die Polster sinken
werd mich heute ganz ausklinken
tausche Lärm und Großstadtgrau
für ’ne Ladung Himmelblau
weiß die Gipfel, grün die Bäume
herbstlich sonnengelbe Träume
Felder, Wiesen, Bauernhof
bis Italien wär jetzt nicht doof
    Aber Murnau, Oberbayern, tat’s auch. Er sah weite Wiesen, die sattgrün ausgerollt waren, abgeerntete Felder mit ihren blassgoldenen Stoppeln, Bäume, deren Laub in kräftigen Farben leuchtete. Der glitzernde Staffelsee lag wie ein zerlaufenes Spiegelei zwischen moosigen Polstern.
    In Murnau stieg er aus. Schon vom Bahnhof aus sah er die Zacken des Estergebirges. Plötzlich kamen ihm Zweifel. Warum war er gerade nach Murnau gefahren? Was hatte ihn hierher gezogen? Das lange Gummiband der Vergangenheit?
    Als Bub war er mit seinen Eltern öfter hier gewesen. Vor der Scheidung. Sein Vater lebte jetzt mit seiner zweiten Frau irgendwo in Norddeutschland. Ihr Verhältnis war immer schwierig gewesen. Seine Mutter wohnte ganz in der Nähe, in Garmisch. Auch schwierig. Sie hatte, als er noch auf der Polizeischule war, einen reichen Deppen geheiratet, Landmaschinenvertrieb. Der Heini hatte ihn einmal »Weichei« genannt. Der Le­der­hosen­depp! Und seine Mutter hatte zu ihm gehalten, denn sie vergötterte den Typen. Seitdem Funkstille. Das war jetzt über zehn Jahre her. Völlig übertrieben natürlich. Aber das hatte er schon als Kind bis zum Exzess kultiviert: das ewig Beleidigtsein inklusive wochenlangem Schweigen. Oft war er abends im Bett gelegen und hatte sich ausgemalt, wie das wäre, wenn er einen tödlichen Unfall hätte, wenn dann seine Eltern, Verwandten und Schulfreunde am Sarg standen und bittere Tränen vergossen. Mit schlechtem Gewissen, weil sie ihn nicht für voll genommen hatten und sich die Uhr jetzt nicht mehr zurück­drehen ließ. Und er sich das alles von oben ansah und dachte: ›Tja, hättet ihr euch das mal eher überlegt!‹
    Hummel war ganz in Gedanken versunken, als er die Kottmüllerallee erreichte, die ins Moos hinabführte. Er schritt zwischen den alten Eichen hindurch und genoss die Aussicht auf die Moorlandschaft und die Bergkette. Er steuerte das Gasthaus Ähndl an. Ein paar Senioren streckten dort ihre sonnengegerbten Gesichter der brennenden Kugel entgegen. Sehnsucht nach Wärme. Keiner kannte das besser als er selbst. Trotzdem setzte er sich auf eine Bank im Schatten. Er wollte für sich sein, ein bisschen entspannen. Er bestellte Rehgulasch und Weißbier. Sah man mal von seiner kurzen Zeitreise in die familiäre Vergangenheit ab – einer Schublade voller loser Enden und verwirrter Gefühle –, begannen sich seine Gedanken zu ordnen. Der Fehlschlag mit Tom gestern, Dosis Kletterpartie, die Kündigung bei seiner alten Agentin. Alles keine Glanzlichter. So war das Leben nun mal. Aber manchmal schien auch die Sonne – so wie jetzt, in dieser wunderbaren Landschaft. Oder gestern Abend: Beate hatte ihm ein paar besondere Songwünsche erfüllt und sogar was von Percy Sledge gespielt, obwohl sie kein großer Fan von ihm war. Er hatte gestern so was gebraucht, was Schmalzig-Tröstliches, nach dem schlimmen Tag. Und Chris – noch ein toller Abend. Bei Bier und Schweinsbraten im Fraunhofer . Sie hatte an seinen Lippen gehangen, er an ihren. Von wegen: alles negativ! Lauter lichte Momente. Er trank einen großen Schluck Bier und sah in die Berge, deren Gipfel sich Schnitt für Schnitt hintereinander schichteten. Endlos.
    Als das Rehgulasch kam, klingelte sein Handy. Er ignorierte es. Das Reh zerging auf der Zunge, die dunkle Soße war schwer und würzig. Er tunkte den Knödel ein. Un­erbitt­lich vibrierte eine SMS herein: »Ich hab was! Ruf an. Gesine.«
    Sie ging sofort dran. »Klaus, ich hab jetzt eine DNA-Probe von Nose.«
    »Wie hast du das denn hingekriegt?«
    »Die Kippe. Jetzt hab ich sie. Klemmte im Boden­gitter. Die Speichelspuren haben dieselbe DNA wie das Sperma!«
    Hummel schlug mit der Faust auf den Tisch. Glas, Teller und Besteck machten klirrend einen Satz. »Wo bist du?«, fragte Gesine.
    »Unterwegs.« Er sah auf die Uhr. »Ich bin so um fünf bei euch.«
    Hummel legte das Handy weg und widmete sich wieder seinem Gulasch. War nicht mehr ganz so wohltemperiert, aber noch besser als zuvor – der Geschmack des Erfolgs. Sie waren auf der richtigen Spur! Jetzt konnten sie Nose in die Mangel nehmen! Wenn er mit der Meyer noch zusammengewesen war, was bedeutete das? Egal. Das war erst mal ein Anfang. Es war genauso gewesen, wie Tom gesagt

Weitere Kostenlose Bücher