Die schoene Muenchnerin
traurig-schlaffes Fragezeichen. Jemand hatte dem Mann in seiner hilflosen Stellung das Kissen aufs Gesicht gedrückt. Angeblich ist der Moment kurz vor dem Tod ja besonders erregend. Na ja, half dann ja auch nichts mehr, zumindest in diesem Fall. Die Wohnung war komplett auf den Kopf gestellt worden, überall Papier, Bücher, Fotos. Da hatte jemand was ganz Bestimmtes gesucht. Die Kollegen von der Spurensicherung würden sich am morgigen Sonntag durch die Wohnung wühlen. Das Opfer hieß Dr. Kurt Weinmeier, Journalist und Buchautor. So viel wussten sie schon. Die Nachbarn hatten nichts mitgekriegt. Wie auch? In dem herrschaftlichen Haus gab es nur Rechtsanwälte und Wirtschaftskanzleien. Die einzige normale Wohnung war jetzt frei. ›Das wär doch mal was!‹, dachte Dosi, nahm einen Schluck Bier und tauchte unter.
WIRKLICH ERSTAUNLICH
Zankl saß auf dem Sofa und studierte einen Babyratgeber. Er las nicht, sondern grübelte und wollte nur den Eindruck erwecken, das Thema interessiere ihn brennend. Seine Frau Conny beobachtete ihn mit Argusaugen. Sie war gar nicht begeistert gewesen, als er gestern um halb zwei angetrunken in die Wohnung gestolpert und über den Couchtisch gestürzt war. Und morgens hatte er prompt verschlafen und war erst mit einer Stunde Verspätung am neuen Tatort eingetroffen. Na ja, es war auch Samstag. Aber das Verbrechen machte leider keine Pause. Das Opfer war ein Journalist. Bedauernswerter Mann. In Erwartung einer heißen Nummer gestorben. ›Wozu Frauen fähig sind!‹
»Schläfst du?«, fragte Conny. »Jetzt starrst du schon zehn Minuten auf dieselbe Seite.«
»Eine Tabelle. Wirklich erstaunlich, was für Inhaltsstoffe in der Muttermilch sind. Macht die Babys immun gegen Krankheiten.«
Conny strahlte.
›Wenn alles so einfach wäre‹, dachte Zankl.
TICK ZU WEICH
Viertel vor zehn. Hummel starrte sein Handy an. Das Display verschwamm vor seinen Augen. Die zweite Weinflasche war halb leer, die Ratatouille schon einen Tick zu weich. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben. Noch nicht!
Halb elf. Hummel war blau. »Scheißßßaufdieweiber!«, nuschelte er und stürzte den Rest der zweiten Flasche runter. Ohne Glas. Er rülpste laut und lud sich matschige Ratatouille auf den Teller. Zum Essen entkorkte er die dritte und letzte Flasche.
Bajazzo lag an der Heizung und bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick.
Halb zwölf. Hummel lümmelte besoffen auf dem Sofa im Wohnzimmer und rauchte im Dunkeln. Die Anlage war laut. I put a spell on you von Screamin’ Jay Hawkins. Auf Repeat. All das Fauchen, Rülpsen, Schorseln – der ganze Voodooscheiß, immer wieder die Zeile: »I can’t stand it cause you put me down …«
Im Augenwinkel sah er das Display seines Handys aufglimmen. Eine SMS: »lieber klaus, ich schaff es leider nicht, pobleme mit der show. Ein andermal gern. lgc.«
›Lgc – Liebe geht caputt!‹, dachte Hummel. ›Chris, du dumme Kuh! Hätte ich gleich Beate einladen können. Wäre genauso wahrscheinlich gewesen.‹
TAKTGEFÜHL
Der Abend war für Mader das kalte Grauen gewesen. Hochtrabende Worte, die im luftleeren Raum verzweifelt zu funkeln versuchten und dort abstruse Gedankengebäude errichteten, in denen niemand außer ihren Urhebern wohnen wollte. Verwirrte Gebete in Kathedralen des Nichts. Musste Literatur so inhaltsleer sein, um Anerkennung zu finden? Wobei Publikum und Machart der Texte perfekt harmonierten. Das Image, der Schein, die Fassade. Ohne Kern, ohne Wurzeln. Wie passte da seine Exfrau rein? Na ja, Leonore hatte immer schon ein Faible für dieses Tralala. War das eine Reaktion auf ihren trockenen Beamtenberuf als Richterin? Vielleicht. Jedenfalls war sie jetzt sauer. Weil er »mal wieder« zynisch geworden war. Als sie ihn gefragt hatte, wie er das Dargebotene fand, hatte er von einer »Implosion des Denkens« gesprochen. Sein Taktgefühl ließ zu wünschen übrig. Der Abend war jedenfalls gelaufen.
Aber zumindest hatte ihn Leonore auf einen interessanten Gedanken gebracht: Pauschalangebote, Konkurrenz. Wenn hinter den Morden eine größere Organisation steckte? Eine Organmafia? Vielleicht aus dem Ausland? Das zweite Opfer war ja in den USA unterwegs gewesen. War Veronika Saller ein Versuchskaninchen? Für einen Marktcheck im Modelmilieu? Wurde sie wegen zu großen Redebedürfnisses einfach entsorgt? Und ihre Freundin? Bei den beiden Fällen fischten sie immer noch völlig im Trüben.
Eigentlich war Mader ganz froh, dass sie jetzt einen
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