Die schoene Muenchnerin
Geschäft, und Nose operiert. Aber wer gibt die Bestellungen in Auftrag? Ist Nose der Boss? Die besten gesellschaftliche Kontakte hat er jedenfalls. Wenn ich diese verzwickte Geschichte wenigstens als Inspiration für meinen Krimi nehmen könnte.
Hummel rauchte nachdenklich. Wie sehr sehnte er sich danach, dass ihn jetzt jemand … Es war ihm eigentlich egal, ob Chris oder Beate, Hauptsache, dass ihn mal jemand festhielt. Bevor ihn die Melancholie gänzlich niederrang, ging er ins Wohnzimmer und machte sich eine Soulplatte an. Was ganz Altes. Bobby Womack & the Valentinos. Und es funktionierte. Na, da sah die Welt doch gleich ganz anders aus. Nach drei Songs freute er sich sogar auf den »Ausflug« morgen. Die Kampfsportschule würde er dann am Montag besuchen. Vielleicht war Nose bis dahin ja schon überführt, dann könnte er sich den Weg sparen – haha!
ALMÖHI
Sieben Uhr zweiunddreißig. Der Regionalexpress verließ ächzend den im diesigen Herbstmorgenlicht versunkenen Bahnsteig 28 im Münchner Hauptbahnhof.
Hackerbrücke, Donnersberger Brücke, die kalten Lichter, das Rattern der Schienen und Weichen. Hummel gähnte herzhaft. Dosi öffnete eine ihrer beiden großen Papiertüten und brachte eine Art Papptablett zum Vorschein, in das zwei Kaffeebecher gedrückt waren. Sie gab Hummel einen Becher. »Die hatten ein Schild mit Kaffee zum Mitnehmen . S uper, was? Früher bekannt als Coffee to go .« Si e griff in die zweite Tüte und reichte ihm eine Butterbreze. »Brezn to go, Brezn to eat.« Dosi zog die Stiefel aus und parkte ihre Käsemauken in den leicht rosa verfärbten Tennissocken auf dem Sitz gegenüber.
Hummel ließ seine Schuhe an. Er trug einen unauffälligen grauen Anzug, den er in den Tiefen seines Kleiderschranks gefunden hatte und für einen Journalisten als angemessen befunden hatte. Den neuen braunen Anzug wollte er bei dieser Aktion nicht entweihen. Der war den Frauen dieser Welt vorbehalten.
Bald hatten sie die tristen Münchner Vororte hinter sich gelassen. Als hätte der Herrgott mit dem Finger geschnippt, verschwand der Bodennebel. Die Morgensonne ließ das feuchte Gras glänzen. Hummel dachte daran, dass er erst vor kurzer Zeit in dieser Gegend unterwegs gewesen war, dass er vor dem Wirtshaus mit Gipfelblick gesessen hatte, als Gesines Anruf kam. Rehgulasch, Ratatouille, Weinmeiers Tod, Gerlinde von Kaltern, Sandy Möller – eine endlose Kette von Ereignissen und Personen. Und er hatte keine Kontrolle darüber. Am Steuer deines Lebens lenkst du meist vergebens. Oder so ähnlich.
»Hä?«, fragte Dosi.
»Na, die meisten Dinge passieren ohne unser Zutun, und wir versuchen trotzdem, sie zu lenken.«
»Nein, das tun wir nicht. Wir lenken nix. Wenn wir kommen, ist es schon zu spät. Wir schauen nur, wer schuld ist, wenn was passiert, wenn jemand stirbt.«
Ja, mit Blick auf den Job hatte Dosi zweifellos recht. Sie waren diejenigen, die nur die Scherben zusammenfegten und versuchten, darin Muster zu erkennen.
»Scho geil, oder?« Dosi deutete aus dem Fenster. Majestätisch stemmte sich das Zugspitzmassiv gegen den blendend blauen Himmel. Hummel nickte und versank in dem Anblick.
In Garmisch verließen zahlreiche Senioren in quietschbunten Goretexjacken den Zug. Der Tag war perfekt für ein gepflegtes Weißbier und ein Nickerchen in einem der Liegestühle auf dem Wank oder auf der Terrasse des Zugspitzhauses.
Nach Klais hatten sie nur noch wenige Mitfahrer. Hummel öffnete das Fenster und hielt die Nase in die frische Brise. Der Zug kämpfte sich die langgezogenen Kurven hoch, durch den dichten dunklen Wald. Hochalmen mit ihren verwitterten windschiefen Heuschobern und in Silbergrau der nackte Fels. Stellenweise frisch gepudert. Alles menschenleer. Jetzt im Herbst war die Natur weitgehend für sich und tat nichts anderes als schön auszuschauen. Hummel sah sich schon im nächsten Sommer als Almöhi eine Auszeit nehmen. Ein bisschen Viehwirtschaft, Käsen und nachts den sternenklaren Himmel betrachten. Da würden ihm die guten Ideen zum Schreiben nur so zufliegen.
»Was is jetzt, Hummel, packst di zam?«, fragte Dosi.
Deutschlands höchstgelegener Intercity-Bahnhof verkündete eine Aufschrift am Bahnhofsgebäude. Klais. Außer ihnen stiegen nur ein paar Einheimische aus. Keine Kongressteilnehmer. »Wenn ich einen Porsche hätt, würd ich auch nicht mit der Bahn fahren«, meinte Dosi. »Also, wie kommen wir jetzt zu dem Hotel?«
Hummel sah sich um. Keine Taxis, keine
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