Die schöne Parfümhändlerin
Reisetruhe und die aufgeräumte Kammer.
„Habt Ihr denn nachts nicht geschlafen, Julietta?“, fragte er und übernahm die Aufgabe des Bänderflechtens selbst. Obwohl er sehr vorsichtig zu Werke ging, empfand Julietta seine Berührung als ganz und gar nicht beruhigend. Wie eine Blume sich zur Sonne dreht, so suchte Julietta seine Nähe, während die Wärme seiner Hände durch ihren ganzen Körper fuhr. Sie waren so viele Tage getrennt gewesen, so viele Stunden hatte sie, ohne seine Liebkosung zu spüren, ohne seine Stimme zu hören, verbringen müssen. Sie hatte versucht, der täglichen Arbeit nachzugehen. Aber es hatte keinen Moment gegeben, in dem sie nicht an ihn gedacht, sich nicht gefragt hatte, was er gerade täte, sich nicht nach seinen Zärtlichkeiten und seinen leisen Liebesschwüren gesehnt hatte.
Marcos Velazquez war wie eine berauschende Substanz, von der sie immer mehr wollte.
Und jetzt, da er endlich hier war, konnte sie sich kaum auf die kommende Nacht und darauf, was zu tun war, besinnen. Der klare Seewasserduft, der ihn umgab, seine zärtlichen Berührungen verwirrten ihre Sinne.
Sie holte tief Luft. „Geschlafen?“, fragte sie. „Nein, nicht so gut, seit Bianca weg ist.“
„Eure Dienerin ist gegangen? Warum?“
Natürlich wusste Marcos davon noch nichts. In den letzten zwei Tagen hatte ihr einziger Kontakt in einer hastig verfassten Nachricht bestanden, die Julietta Nicolais Kolumbine übergeben hatte, als diese den Laden aufsuchte. Biancas Betrug zu erklären, dazu hatte die knappe Botschaft nicht gereicht. Julietta schmiegte sich in Marcos’ Arme und erzählte ihm ausführlich von Biancas Geständnis und ihrer Flucht.
Marcos saß ganz still, und als sie alles erzählt hatte, stellte er fest: „Bianca war also Ermanos Gehilfin.“
„So ist es“, antwortete Julietta ein wenig barsch. Gerne sprach sie nicht darüber, wie dumm und blind sie gewesen war.
„Hat er sie für den Verkauf des Giftes bezahlt? Hat er ihr gesagt, wem sie es geben sollte?“, fragte Marcos.
Julietta erschrak. An derartige Details hatte sie gar nicht gedacht. „Vielleicht. Auf jeden Fall hat er sie dafür bezahlt, mich auszukundschaften. So wie er auch Euch belohnen wollte. Und ich bin mir sicher, die Kundinnen haben für die tödlichen Gifte auch eine ordentliche Summe bezahlt. Wie auch immer, die Details sind jetzt nicht von Belang. Bianca ist fort. Von mir bekommt sie keine Rezepte mehr und ganz bestimmt auch kein Geld mehr von Ermano.“
„Sie kann sich glücklich schätzen, wenn sie keinen Dolch von ihm zwischen die Rippen bekommt“, grollte Marcos. „Mir tut nur leid, querida, dass man Euch so hintergangen hat.“
„Ach, das ist nicht von Bedeutung. Vergangen ist vergangen. Denken wir jetzt lieber an unsere Zukunft.“ Julietta löste sich aus seiner Umarmung, legte ihren Arm um seinen Nacken und blickte forschend zu ihrem Zigeunerpiraten auf. Ihr Herz war so voller Liebe, dass kaum für etwas anderes Raum war – weder für Betrug noch für Furcht.
Zärtlich strich er ihr die Haare aus der Stirn, umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und sah Julietta an, als wolle er sich ihr Antlitz für immer und ewig einprägen.
„Ist alles bereit?“, fragte sie.
Marcos nickte. „Nicolai und seine Komödianten warten auf uns.“
Verzagt biss sich Julietta auf die Lippen. Wie stets in solchen Momenten schwankte sie zwischen Aufregung, Angst und einfältiger Hoffnung. „Ist es so, als ob Ihr den Piraten gegenüberstündet?“
Marcos lächelte traurig. „Schlimmer, querida. Bei den Piraten sieht man ihre Kanonen und ihre Waffen. Die Piraten blicken ihren Gegner über das weite Meer offen und ehrlich an. Männer wie Ermano tragen ihre Schwerter verborgen hinter Seide und gutem Benehmen.“ An den roten Bändern hielt Marcos seine schwarze Ledermaske in die Höhe. „Und dahinter.“
Julietta küsste ihn leidenschaftlich. „Habt keine Angst, mein Löwe. Bevor die Nacht zu Ende ist, wird er seine Waffe gezogen haben … und wir geben ihm die passende Antwort.“
Der Dogenpalast war hell erleuchtet. Festlich strahlte er zum Empfang seiner farbenfrohen Gäste. Der blaue Himmel des Tages und der goldene Sonnenuntergang waren einem dichten weißen Nebel gewichen, der über die Kanäle in die Stadt trieb. Er lag wie ein Schleier über der Piazza, hüllte den üblichen Unrat, den fliegende Händler und Marktstände zurückgelassen hatten, in silberweiße Nebelwolken. Nur die Lichter in den erleuchteten
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