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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Fenstern durchdrangen die Nebelschleier, als wollten sie die aus dem Dunst auftauchenden fantastischen Gestalten anlocken. Umhänge und Masken verhüllten Figuren und Gesichter. Gelegentlich gaben sie einen flüchtigen Blick frei auf glänzende Seidenstoffe und Juwelen und verstärkten so das Geheimnisvolle und Unwirkliche der undurchdringlichen, nebelwabernden Kulisse.
    Julietta legte eine Hand auf Marcos’Arm, als sie in der Nähe der Basilika stehen blieben und eine Weile den auf- und abschwellenden Zustrom der Gäste beobachteten. Leise Melodien entwichen durch die geöffneten Türen und Fenster. Orientalische Klänge, die eine unendliche Traurigkeit und ein Sehnen nach der weiten Welt in sich trugen. Wehmütig lauschte Julietta der Musik. Würde sie diese weite Welt zu sehen bekommen? Die Klänge mischten sich mit dem Klimpern verborgener Glöckchen an den Kostümen, leisen Stimmen und plötzlichem, lautem Gelächter. Doch Julietta hörte nur die schwere Melodie, die so gut zu ihrem Abend passte.
    Sie blickte zu Marcos auf. Durch die schmalen Schlitze seiner Maske sah sie seine glänzenden Augen. Als stände er an Deck seines Schiffes, beobachtete er die Umgebung. Schließlich sah er zu ihr hinunter und lächelte, beruhigend und streitbar zugleich. Ihnen stand eine Schlacht bevor – die wichtigste ihres Lebens –, und er war bereit.
    Juliettas Magen krampfte sich vor Aufregung zusammen, aber auch sie musste bereit sein.
    „Gehen wir hinein“, sagte Marcos. „Es wäre unhöflich, als Letzte zu kommen.“
    Sie nickte, nahm seinen Arm, und sie reihten sich ein in den Strom der Gäste, die zum Eingang des Palastes strebten. Bald war sie eingekeilt von der dichten Menge, umgeben von süßen Düften und warmen Leibern, von Lachen und Glöckchenklingeln, Rascheln von schweren Seiden und Flattern von duftiger Gaze. Alles, was Julietta durch ihre Maske erkennen konnte, war ein buntes Farbenspiel – rot, blau, grün, gold und silbern – verschwommen wie Buntglas.
    Dennoch wirkte die allgemeine Heiterkeit seltsam gedämpft. Man begab sich schließlich in den Dogenpalast, in das Machtzentrum der Republik Venedig, und nicht zu einer ausgelassenen Feier in einem zwielichtigen Wirtshaus. Hier wurde jeder Schritt überwacht, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.
    Jeder Moment war gefährlich.
    Der einzige Halt, der Julietta bei Verstand bleiben ließ, war Marcos’ Arm, der ihr ein tröstliches Gefühl der Stärke gab. Sie folgten dem Zug der Gäste vor ihnen, der sich wie eine Schlange in grün-goldenem Brokat die gewundene Treppe hinaufbewegte. Es war leichter, sich auf die eigenen Schritte zu konzentrieren, als an das zu denken, was vor ihnen lag. Nur langsam kamen sie voran, vorbei an den unbeweglichen Gardisten in ihren strahlend weißen Uniformen mit glänzenden Piken und Schwertern und an den Statuen von Mars und Neptun.
    Hier löste sich endlich der dichte Menschenstrom und ergoss sich in einen riesigen Festsaal. Auch bei Tageslicht, ohne die vielen Menschen, musste die Halle ein beeindruckender Ort sein. Fresken bedeckten die hohe, gewölbte Decke, an den Längswänden befanden sich Bilder mit klassischen Szenen von Göttern, die von ihrem olympischen Thron aus die Geschicke der Menschen bestimmten. Auf Säulen und Zimmerbrunnen posierten Flöten und Leiern spielende Nymphen, und halb versteckt hinter vergoldeten Wandschirmenspielten echte Musikanten zum Tanz auf. Künstliche Spitzbögen, verziert mit grünen und silbernen Bändern, verwandelten die Halle in eine Art Zauberwald. Und hoch über diesen Spitzbögen vollführten Akrobaten auf dünnen Seilen gewagte Kunststücke. Eine Frau im kurzen, paillettenbesetzten Kleid mit glitzernden Gazeflügeln turnte graziös wie ein Schmetterling am Trapez. Über die gesamte Länge des Marmorbodens ordneten sich in langen Reihen die Gäste zu einer langsamen, feierlichen Pavane an, während die Musiker in einer Gasse neben ihnen schritten.
    Julietta strich sich die Haare aus dem Nacken. Ein kühler Windhauch hätte ihr jetzt gutgetan, denn die Luft war warm und stickig, schwer wie ein Samtumhang. Sie und Marcos wollten nicht tanzen. Lieber suchten sie sich einen freien Platz in der Nähe der Wand, aber auch hier war das Gedränge zu groß. Mit nahezu zermürbender Langsamkeit schoben sich die Menschen voran.
    Julietta reckte den Hals und suchte in der Menge nach einem vertrauten Gesicht. Doch jedes Antlitz war maskiert, verborgen hinter bunt bemaltem Leder und farbigen

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