Die schöne Parfümhändlerin
einem Ruck die Tür zum Lager auf, mit gezücktem Dolch schrie sie: „Komm raus, du Schuft!“
Mit erhobenen Armen duckte sich Bianca an der Wand. Ein Sack fiel ihr aus der Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. „Nein, Madonna! Bitte! Ich bin es, Bianca.“
Julietta senkte die Klinge, hielt aber den Griff des Dolches fest umklammert. Sie holte tief Luft. Ihr sträubten sich die Nackenhaare, so seltsam war dies alles. „Bianca? Was machst du denn hier? Warum hast du mir denn nicht geantwortet?“
Das Mädchen hielt sich die Hand vor den Mund und unterdrückte ein leises Schluchzen. Sie trug einen schweren braunen Umhang über ihren gestreiften Röcken und dem rosa Mieder, das Häubchen hatte sie verloren, und ihre dicke schwarze Lockenpracht fiel ihr über die Schultern.
„Ich … ich habe Euch nicht gehört.“ Biancas Stimme klang rau. „Ich dachte, Ihr seid noch auf dem Land.“
Julietta hielt es für unmöglich, dass Bianca sie nicht gehört haben sollte. Die Tür zum Lagerraum war nicht sehr dick – man konnte immer hören, wenn ein Kunde den Laden betrat. Juliettas Blick ging von dem Mädchen zu dem Sack auf dem Boden und zu dem Durcheinander entlang der Wand. Das Regal war abgerückt, die meisten der Keramikbehälter mit Ölen und Lotionen waren beiseitegeräumt worden. Zum Vorschein war ein kleiner Schrank gekommen, der nun auf der Seite lag. Er schien leer, bis auf einen Rest einer puderigen Substanz. Julietta hatte den Schrank nie zuvor gesehen.
„Was ist das denn?“, fragte sie gedehnt.
Bianca schrie auf und wollte an ihrer Herrin vorbei. Doch Julietta packte das Mädchen am Arm und hielt es fest. Dann trat sie ein paar Mal gegen den Sack am Boden, bis der lockere Verschluss sich löste und ein Teil des Inhalts herauskullerte. Münzen, ein Schatz von Gold- und Silbermünzen, und Reste von zerbrochenen Glasflaschen kamen zum Vorschein. Ein weißes Pulver stäubte über den Steinboden und verbreitete einen scharfen, würzigen Geruch, den Julietta nur zu gut kannte.
In der Nacht, als Cosima Landuccis Gatte tot in seinem Bett gelegen hatte, da hatte Julietta in der Parfümflasche den gleichen Geruch wahrgenommen. Kalte Wut erfasste sie.
Ohne die sich windende Bianca loszulassen, kniete sich Julietta auf den Boden, um den Inhalt des Sacks näher zu untersuchen. Weitere Flaschen, gesprungen, aber noch brauchbar … ein paar Bogen Papier, wie mit Kinderhand eng bekritzelt … sogar einige Schmuckstücke samt einer Diamantbrosche, die Julietta wiedererkannte. Zuletzt hatte sie die Brosche an Ermano Grattianos Barett gesehen, am Tage des großen Karnevalsumzugs.
Ermano war also doch nicht so ungeschickt. Sehr geduldig war er außerdem. Lange musste er schon gegen sie gearbeitet haben. Um sie in die Falle des Giftlabyrinths tappen zu lassen, hatte er sich ihrer Dienerin bedient. Für diese Gerissenheit musste Julietta ihm Anerkennung zollen. Für ihre eigene Torheit konnte sie sich nur schelten. Niemals hätte sie vermutet, was direkt vor ihrer Nase eingefädelt worden war, trotz all der harten Lehren, die sie in ihrer Jugend in törichtem Vertrauen hatte erfahren müssen. Bravo Ermano! Er hatte die Schlacht eröffnet. Aber wer gewann den Krieg?
Wütend spießte Julietta mit der Dolchspitze einen der Papierbögen auf und zog ihn näher heran, bis sie lesen konnte, was darauf stand. Die Schrift war nahezu unleserlich, schließlich lernte Bianca gerade erst unter Juliettas Anleitung schreiben. Dennoch konnte sie den Inhalt entziffern. Es waren ihre eigenen Rezepte. Für Rosencreme und darunter für Lavendel- und Rosmarinwasser. Ihre eigenen Schöpfungen, auf der Grundlage von Rezepten, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. „Du kleine Verräterin“, zischte Julietta.
„Nein“, heulte Bianca. „Ich wollte Euch doch nicht schaden, Madonna. Ich wollte nur helfen …“
Mit aller Macht versuchte sie sich Juliettas eisernem Griff zu entwinden. Die Magd war stark, aber Juliettas Wut verlieh ihr Kraft. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und schüttelte Bianca. „Wem wolltest du helfen, Bianca? Unseren Kundinnen, die ihre lästigen Ehemänner loswerden wollten? Oder dir selbst?“
„Ihr versteht das nicht.“
„Gut, dann erkläre es mir. Erkläre mir, warum du meine Großzügigkeit, meine Freundschaft angenommen hast, um mich dann an Ermano Grattiano zu verkaufen?“, fragte Julietta gefährlich leise. Sie starrte Bianca an. Diese ängstliche Frau mit dem
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