Die schöne Parfümhändlerin
die Augen strahlten, wie Marcos es nie zuvor gesehen hatte. Seine wunderschöne Zauberin, Herrin des Feuers.
Sie lächelte ein wenig. „Worüber denkt Ihr so angestrengt nach, Signore?“
„Über Euch. Wie immer“, war seine ehrliche Antwort.
„Wirklich?“ Julietta zog belustigt eine Braue hoch, kam näher und legte einen Arm um seine Taille. Eine ganze Weile verfolgten sie schweigend gemeinsam den Gang der Wellen. Das Wasser war nun tiefschwarz wie die einsetzende Nacht.
Marcos atmete tief die salzige Luft ein und genoss diesen glücklichen Moment. Die See war ebenso geheimnisvoll wie Juliettas Augen, und plötzlich wusste er, was ihn beim ersten Kennenlernen an ihr so in den Bann gezogen hatte. Julietta war so unergründlich wie seine erste Liebe, das Meer – tief und unergründlich, wunderschön, voller fremder Geheimnisse, unbeugsam und niemals langweilig. Marcos war sich sicher, dass ihr gemeinsames Leben eine stürmische, glückliche und bewegte Reise werden würde. Für nichts in der Welt, nicht einmal für den schönsten Palast Venedigs, wollte er dieses Leben eintauschen. Selbst dann nicht, wenn sie sich weigerte, den Lebensweg mit ihm gemeinsam zu gehen.
„Ihr sagtet einst, Schiff und Meer bedeuteten Freiheit“, sagte Julietta und lehnte sich dabei dicht an ihn. Ihr frisch gewaschenes Haar roch nach Jasmin. Marcos spürte die Wärme ihrer Haut.
„So war es immer für mich“, antwortete er und drückte einen Kuss auf ihr seidenweiches Haar.
„Damals habt Ihr mir diese Freiheit angeboten. Gilt dieses Versprechen noch?“
„Ja. Wenn Ihr wollt, können wir morgen früh bei Flut lossegeln. Die Wellen tragen uns aus der Lagune. Wohin immer Ihr wollt. Rotterdam, Lissabon, London.“ Marcos zog sie enger an sich. „Es sei denn, Ihr wünscht, eine große Dame in Venedig zu sein. Gattin eines Höflings, Herrscherin in Eurem eigenen grandiosen Palazzo.“
Erstaunt rückte sie von ihm ab. „Was meint Ihr? Venedig ist für uns doch Vergangenheit.“
„Balthazar möchte auf einem Schiff anheuern und Steuermann werden“, erklärte Marcos. „Ermanos ganzen Besitz will er mir übergeben.“
„Als Verwalter?“
„Nein, als Eigentümer.“
Julietta sah zur Seite, fröstelnd versteckte sie ihre Arme unter dem Umhang. Ihr Gesicht war blass, ihre Miene verschlossen wie die einer griechischen Statue. Nur ihre Augen glänzten wie die Sterne über ihnen am Himmel. „Ist das Euer Wunsch, Geliebter? In Venedig zu bleiben, nach allem, was geschehen ist?“
Marcos schüttelte den Kopf. „Ihr kennt mich doch gut genug, um zu wissen, was ich mir wünsche. Kein enges, beschränktes Leben. Aber wenn wir heiraten sollten, dann habt Ihr auch das Recht, zu bestimmen, wie wir unser gemeinsames Leben gestalten wollen. Wenn Ihr gerne die Sicherheit …“
„Dummkopf!“, brach es plötzlich aus Julietta hervor, die statuenhafte Fassade zerbrach, und zum Vorschein kam wieder die Frau, die er liebte. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und drückte Marcos ganz fest. „Schaut, was die Sicherheit von Venedig uns gebracht hat. Beinahe den Tod. Ich würde sterben, wenn ich Euch verlieren würde, Marcos. Und ich würde Euch ganz bestimmt verlieren, wenn Ihr Ermanos Ämter übernehmen würdet. Ohne die Weite des Meeres, in schwarzer Robe in der Enge des Dogenpalastes würdet Ihr ersticken, und ich würde mit dahinsiechen. Wir finden unser Glück in der weiten Welt … ganz bestimmt.“
Marcos lachte, hob Julietta hoch und wirbelte sie herum, bis auch sie lachte. Sie waren glücklich wie Kinder, die man in die Freiheit entließ. „Das werden wir, Julietta!“
Als er sie wieder auf den Boden stellte, schmiegte sie sich eng an ihn und hielt ihre Hand hoch. Der Rubinring glänzte im Mondlicht. „Als Ihr mir diesen Ring gabt, Marcos, sagtet Ihr, ich solle ihn Euch schicken, wenn ich Eure Hilfe bräuchte, und Ihr wäret sofort an meiner Seite.“
Marcos nahm ihre Hand und hielt sie an sein Herz.„Das Versprechen gilt noch immer.“
„Nein! Der Ring wird stets an meinem Finger sein. Was auch immer geschieht, wir werden es gemeinsam durchstehen. Wir werden uns nie wieder trennen.“
„Ist das Euer feierliches Versprechen?“ Er zog sie näher zu einem leidenschaftlichen Kuss, der ihren Schwur für immer und ewig besiegelte. „Das Wort einer Zauberin?“
Glücklich lächelnd schaute Julietta zu ihm auf. „Nein, Il le one, das Versprechen einer verliebten Zauberin.“
– ENDE –
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