Die schöne Parfümhändlerin
geheimnisvollen, dunklen Augen …
Das Quietschen einer Tür riss Marcos aus seinen Gedanken über die rätselhafte Julietta Bassano. Er drehte sich um. Es war nicht Ermano Grattiano, sondern sein Sohn Balthazar, der da stand. Zögerlich verharrte er an der Türschwelle, so zaudernd, wie er möglicherweise auch sein Leben betrachtete. Er war ein großer Junge, unbeholfen in seinen Bewegungen, doch voller Feuer, voller unerfüllter Sehnsüchte und Wünsche, die er weder verstehen noch kontrollieren konnte, ärgerlich und ruhelos schien er.
Marcos kannte diese Gefühle. Mit achtzehn war er genau wie Balthazar gewesen. Damals hatte auch er voller Leidenschaft darauf gebrannt, die Welt zu erobern. Doch er war nur der Adoptivsohn eines spanischen Handelskapitäns gewesen. Er hatte sich nur auf seinen eigenen Verstand und seinen Ehrgeiz verlassen können. Balthazar Grattiano aber sollte einmal all die Besitztümer seines Vaters erben. Geld, Ländereien, Handelsflotten und Juwelen.
Und Frauen. Vielleicht eine besondere? Eine dunkelhaarige Witwe voller Geheimnisse? Nachdenklich beobachtete Marcos den jungen Balthazar einen Moment lang. Nein, dieser schlaksige Jüngling konnte noch kein Verständnis für die verborgenen Rätsel einer Frau wie Julietta Bassano besitzen. Eines Tages vielleicht, wenn er nicht in die Fußstapfen seines Vaters trat und wie dieser ein unbändiges Verlangen, zu besitzen und zu zerstören, entwickelte.
Mit Balthazar hatte Marcos keinen Streit. Im Gegenteil, er verspürte großes Mitleid mit dem Jüngling – trotz seines zukünftigen großen Erbes. Aber Marcos konnte und wollte auch nicht zulassen, dass Balthazar ihm im Weg stand. Er musste erreichen, worauf er sich so lange und so gründlich vorbereitet hatte. Niemand sollte ihn daran hindern.
„Signor Balthazar, seid gegrüßt“, sprach er den Jüngling an, der immer noch unschlüssig an der Türe stand.
Balthazar hob das Kinn, die blassgrünen Augen bekamen einen eigenartigen Glanz.„Ich sehe, mein Vater hat Euch warten lassen, Signor Velazquez.“
Marcos zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Es ist keinsonderliches Ärgernis, in einer so prunkvollen Umgebung und mit einer so grandiosen Aussicht warten zu müssen.“
Balthazar kam näher und stellte sich neben Marcos ans Fenster. Die vielen kleinen Diamanten auf seinem weißen Samtwams funkelten in der untergehenden Sonne. Auch sein breiter Gürtel war mit Diamanten und dunkelroten Amethysten besetzt. Sein Ohr schmückte ein daumennagelgroßer Diamant in filigraner Goldfassung. Aber all dieser Reichtum konnte nicht die Verzweiflung verbergen, die den jungen Mann quälte.
Marcos überlegte kurz, ob er ihn vielleicht mit der blassen Kurtisane der letzten Nacht bekannt machen sollte. Sie war hübsch und verstand ihr Handwerk, doch hatte er leider ihren Namen vergessen. Außerdem glaubte er nicht, dass Balthazar Schwierigkeiten hatte, selbst die Aufmerksamkeit reizvoller Damen auf sich zu ziehen. Richtete sich doch gerade jetzt unter ihnen auf dem Kanal eine silbrig blonde Schönheit in ihrer Gondel auf, winkte und schenkte dem Jüngling ein verführerisches Lächeln. Dabei streckte sie kokett ihre rotbestrumpften Beine aus. Balthazar nickte nur kurz zurück. Aha, dachte Marcos, der unterdrückte Groll ist also nicht leiden schaftlicher Natur.
Es musste etwas Ernsteres sein.
„Es heißt, Ihr stehet hoch in der Gunst des Dogen“, sagte Balthazar, während er weiter die Frau mit den roten Strümpfen beobachtete. Seine Stimme klang fast gleichgültig. Nur seine steife Körperhaltung verriet ein wenig von seinen wahren Gefühlen.
„Ja, ich schätze mich sehr glücklich, seit ich in Venedig bin. Viele Menschen begegnen mir mit Freundlichkeit.“
„Warum auch nicht? Ihr seid Il leone. Selbst mein Vater ist Euch sehr gewogen.“
Marcos sah den jungen Mann nachdenklich an und schluckte den Anflug von Unmut über die venezianische Heuchelei hinunter. „Euer Vater und ich führen Geschäfte miteinander.“
„Natürlich, Geschäfte zum beiderseitigen Nutzen.“
„Gibt es noch eine andere Art von Geschäften?“
„In der Tat.“ Balthazar wandte sich von der blonden Schönen ab und sah Marcos direkt ins Gesicht. Meergrün, fast schillernd waren die Augen des Jünglings plötzlich. „Nicht ein jeder schätzt die Gunst, die man Euch erweist. Man hält Euch nur für einen condottiere, einen Heerführer, angeheuert von einer fremden Seemacht.“
„Ich habe gewiss schon mehr als
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