Die schöne Parfümhändlerin
hinunter aufs Wasser. Conte Ermano Grattiano – wie sie befürchtet hatte. Seine pompöse, schwarz glänzende Gondel, die zur Feier des Tages verschwenderisch mit Goldglitter und schwarzgoldenen Federn geschmückt war, hatte direkt zu ihren Füßen Halt gemacht. Die samtenen Vorhänge am überdachten Aufbau waren zurückgezogen, damit die Insassen freien Blick auf den Festzug hatten.
Wie üblich war Ermano Grattiano nicht weniger prächtig herausgeputzt als seine Gondel. Zum goldfarbenen Seidenwams, abgesetzt mit Hermelin und Goldtressen, trug er weißgolden gestreifte Beinkleider und einen ärmellosen Mantel, der ebenfalls mit dem kostbaren weißen Pelz gefüttert war. An dem Barett aus Goldbrokat funkelte ein riesengroßer Diamant und blendete sie mit seinen Strahlen.
Der Diamant passt ausgezeichnet zu seinem Besitzer, dachte Julietta verstimmt. Obwohl um viele Jahre älter als sie, war der Conte mit seinem dichten weißen Haar und dem gepflegten weißen Bart immer noch ein sehr ansehnlicher Mann. Seine markanten Gesichtszüge waren faltig und die kalten grünen Augen strahlten hell und listig. Er lächelte stets, doch hinter der freundlichen Miene und der glänzenden Schale verbarg sich ein erbarmungsloser Machtmensch. Er hatte sein großes Vermögen in Venetien erworben – dem Gerücht nach mit nicht ganz lauteren Mitteln. Am Hofe des Dogen besaß er eine he rausragende Stellung als Mitglied des Savio ai Cerimoniali, des Komitees, das für Staatsbesuche, Botschafter und Minister zuständig war und das in letzter Zeit so viele seiner Mitglieder auf höchst unglückliche Weise – unter anderem auch Signor Landucci – verloren hatte. Der Palazzo des Conte war einer der prächtigsten der Stadt. Vier Mal war Ermano Grattiano bereits verheiratet gewesen. Und jede seiner Angetrauten war eine Dame aus altem Adelsgeschlecht, mit Vermögen und von untadeliger Schönheit gewesen. Alle vier hatten jedoch leider allzu früh das Zeitliche gesegnet.
Nun schien er auch Juliettas kleines Landgut auf dem Festland seinem Reich einverleiben zu wollen. Bevor sie nach dem Tod ihres Gatten Mailand verlassen hatte, war ihr die kleine Villa samt den umliegenden Ländereien von seiner Familie vermacht worden. Vielleicht wollte der Conte sogar Julietta haben, wenn sie sich auch beim besten Willen nicht vorstellen konnte, aus welchem Grund. In Venedig tanzte jede junge vollbusige Kurtisane nach seiner Pfeife, er brauchte nicht so etwas Großes, Dünnes, Dunkelhaariges wie sie. Was immer er auch in Wahrheit begehren mochte, in der Verfolgung seines Ziels zeigte er sich ausgesprochen hartnäckig. Seit dem Tag, als er ihr zum ersten Mal in San Marco begegnet war, erschien er regelmäßig in ihrem Laden, schickte kleine Geschenke oder lud sie zu Zusammenkünften in seinem Anwesen ein.
Und nun störte er sogar ihren fröhlichen Feiertag.
Natürlich musste sie auf seinen Gruß antworten. Viel zu lange schon hatte sie gezögert. Das laute Gelächter und das Stimmengewirr um sie herum erstarben allmählich schon zu einem leisen Raunen. Die Leute begannen sie bereits erstaunt anzustarren. Offensichtlich wunderte man sich, weshalb sie den Gruß eines so bedeutenden Mannes überging.
Ohne Scheu blickte Julietta hinunter zu dem Conte, der sie mit einem kleinen, leicht ungeduldigen Lächeln auf den schmalen Lippen beobachtete. Neben ihm, halb verborgen im Schatten der zurückgezogenen Vorhänge, stand sein Sohn Balthazar. Das schmale jungenhafte Gesicht mürrisch verzogen, die Arme vor dem weißen Samtwams verschränkt, verfolgte er den Festzug. Balthazar war Ermanos einziges Kind. Doch der Erbe des Grattiano-Reiches benahm sich stets wie ein unglücklicher Prinz, anscheinend voller unterdrückter, rasender Wut. Eigentlich war er ein hübscher Junge mit edel geformten hohen Wangenknochen, moosgrünen Augen und seidigdunklem, schulterlangem glatten Haar. Auf eineseltsame Weise kam er ihr vertraut vor, so als würde sie in seiner mürrischen Miene etwas Verlorenes wiedererkennen.
„Guten Tag, Conte Grattiano“, rief sie mit einem angedeuteten höflichen Knicks.
„Wahrlich ein guter Tag, jetzt da ich Euch getroffen habe, Signora Bassano“, antwortete er. Seine Worte und sein Gebaren waren durchaus höflich und korrekt, und dennoch hatte seine Stimme wie stets einen leicht spöttischen Unterton. Grattiano schien ihren Unmut zu spüren und hatte offenbar seine Freude daran. „Vergebt mir, dass ich Euch so lange nicht in Eurem Laden
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