Die schöne Parfümhändlerin
nahmen.
„Ich habe die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben“, fuhr Ermano fort. „Ich bin gewiss kein junger Mann mehr, aber so alt bin ich denn auch noch nicht. Ich kann immer noch Söhne zeugen oder vielleicht auch Töchter, die durch eine vorteilhafte Heirat zum Ruhm des Hauses Grattiano beitragen werden.“
Der Conte hatte vor, wieder zu heiraten? Um weitere Nachkommen zu zeugen? Um noch mehr Ärger in Norditalien zu stiften? Eine ungeheure Vorstellung. „Ich wünsche Euch viel Glück bei Eurem Vorhaben, Conte Grattiano“, brachte Marcos mit Mühe heraus.
Ermano nickte bedächtig. „Die Mutter müsste natürlich von kräftiger Natur sein. Keine zarte, blaublütige signorina. Außerdem klug und mit feurigem Temperament. Wie ich gehört habe, habt Ihr Signora Bassanos Laden aufgesucht. Zwei Mal sogar.“
Aha … daher weht der Wind. Der Conte hielt also tatsächlich die große rätselhafte Julietta für die geeignete Frau als Mutter für seine fabelhafte neue Brut. Marcos stellte seinen Weinkelch auf den mit Intarsien verzierten Tisch und sah Ermano an. „Stimmt. Habe ich. Sie scheint eine sehr … beeindruckende Dame zu sein.“
„ Sì, sì“, kicherte Ermano. „Da habt Ihr recht. Und sehr unnahbar, stachelig wie eine Artischocke. Doch ich bin sicher, wenn man erst einmal an ihr Herz rührt, dann ist es ganz … weich.“
Marcos musste sich zusammennehmen. Allein der Gedanke, Ermano könnte seine plumpen beringten Finger auf Juliettas weiches Herz legen, machte ihn wütend.
Doch der Conte schien Marcos’ aufkommenden Ärger nicht wahrzunehmen. „Mag sie Euch?“, erkundigte er sich. „Wird sie mit Euch aufrichtig reden?“
Marcos atmete tief die Luft ein, die geschwängert war vom Duft des Zuckerwerks und Ermanos süßlichem Parfüm. „Das ist schwer zu sagen. Sie ist, wie Ihr schon sagtet, ziemlich stachelig. Und sehr vorsichtig.“
Ermano machte eine sorglos abwertende Handbewegung. „Ach, sie wird ihre Meinung schon ändern. Ihr seid Il leone, der Held der ganzen Stadt. Besucht sie nur weiter, gewinnt ihr Vertrauen. Dann werden wir mit der nächsten Phase unseres Plans beginnen.“ Ernst blickte er über den Rand seines Kelches auf Marcos. „Es soll nicht zu Eurem Schaden sein, Signor Velazquez, wenn Ihr einwilligt, mir zu helfen. Ich besitze großen Einfluss in Venedig. Ich kann ein großartiger Freund – aber auch ein grausamer Feind sein.“
Marcos erwiderte den Blick, fest und ohne mit der Wimper zu zucken. So wie ich, dachte er kalt. So wie ich, Ermano Grattiano.
7. KAPITEL
„Nun, Bianca? Was meinst du? Bereite ich meiner Begleitung Schande?“ Julietta drehte sich langsam vor dem Spiegel, schaute sich über die Schulter und vergewisserte sich, ob ihr Rock richtig fiel.
Bianca stand mit gefalteten Händen da. Ihre dunklen Augen strahlten vor Begeisterung. „Oh Madonna! Die Robe ist wunderschön. Wo habt Ihr die denn nur versteckt gehabt?“
„In der Kleidertruhe natürlich.“ Die ganzen letzten Jahre hatte das Kleid in der Truhe gelegen. Sie hatte es nicht getragen, nicht gebraucht. Julietta war nicht einmal sicher, weshalb sie es behalten hatte. Die meisten ihrer kostbaren Roben hatte sie in Mailand zurückgelassen. Aufwendig bestickte Samt- und Seidenstoffe waren im Laden unpraktisch, viel zu luxuriös und viel zu auffällig. Vielleicht hatte sie diese Robe aus reiner Rührseligkeit behalten. Vielleicht hatte sie aber auch geahnt, dass sie dieses Kleid einen Tages doch noch tragen wollte.
Julietta drehte sich wieder um und betrachtete sich von vorne im Spiegel. Duftig leicht war das Unterkleid aus hellgelber, mit Goldfäden durchwirkter Seide. Mieder und Überrock waren aus Goldsatin und mit goldener Spitze verziert. Schmale weiße Bänder, die mit winzigen Goldkugeln besetzt waren, hielten die Ärmel aus Goldbrokat. Ganz entsprach ihr Gewand nicht mehr der Mode. Die Ärmel waren etwas enger, die Taille etwas höher und der Rock etwas weiter, als man es derzeit trug. Aber mit der kostbaren Spitze war es dennoch eine festliche Robe.
Während Bianca mit Nadel und Faden einen kleinen Riss am Saum ausbesserte, beschäftigte sich Julietta mit ihrer Frisur. Normalerweise widmete sie ihren Haaren nicht so viel Aufmerksamkeit. Morgens wurden sie gebürstet, zu einem Zopf geflochten, hochgesteckt und unter einem hauchdünnen Schleier versteckt, damit sie bei der Arbeit nicht störten. Das war schnell gemacht. Die kunstvollen Frisuren mit gedrehten Zöpfen und geölten
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