Die schöne Parfümhändlerin
und eine Hur’!“, klang es plötzlich in ihren Ohren, und eine Tamburine wurde über ihnen geschlagen.
Mit einem Satz sprang Julietta zurück. Unmittelbar griff sie nach ihrem Dolch, doch er war nicht da. Ihr ganzer Körper war aufs Äußerste angespannt, ihr war kalt und heiß zugleich. Es war wie ein Hieb mit einem Schwert nach einem so süßen und unbeschwerten Lustgefühl.
Als Marcos’ Umarmung sich lockerte, drückte sich Julietta fest gegen den Steinpfeiler und versuchte, auf Zehenspitzen balancierend über seine Schulter hinweg den Angreifer zu erspähen. Es war kein Soldat und auch kein Mörder. Es war ein Komödiant, ein Harlekin im buntseidenen Narrenkleid, das eng seinen schlanken, großen Körper umspannte. Glänzend fiel ihm das blonde Haar über die Schultern, unterhalb der schwarzen Halbmaske war der breite Clownsmund zu einem schelmischen Grinsen verzogen. Während Julietta den Spaßvogel anstarrte, tanzte er unentwegt um sie und Marcos herum und schlug dabei sein winziges Tamburin.
Schließlich beruhigte sich Julietta. Sie wusste nicht recht, ob sie dem Fremden lieber den Hals umdrehen oder ihm dafür danken sollte, dass er sie aus den fantastischen Karnevalsträumen zurück in die Wirklichkeit gezerrt hatte. Während eines ausgelassenen Festes mochte es verlockend sein, sich selbst im Freudentaumel seiner Begierde für Marcos Antonio Velazquez zu verlieren. Nüchtern betrachtet erschien die Idee aber nicht so weise zu sein. Wie die Akrobaten auf der Piazza über ein Seil balancierten, so war ihr Leben auch ein Wandeln auf schmaler Spur. Ein Fehltritt konnte sich als fatal erweisen.
Sie blickte auf zu Marcos, der schützend den Arm um sie gelegt hatte. Ein leichter rosa Hauch auf den Wangenknochen war das einzige Zeichen von Unmut, das sie erkennen konnte.
„Ich habe selten einen Komödianten erlebt, der so wenig Sinn für den rechten Zeitpunkt besitzt, Nicolai“, sagte Marcos mit täuschend ruhiger Stimme.
Der Harlekin … Nicolai? … hielt lachend in seinem Tanz inne. Die bunten Bänder an seinen Schultern flatterten im flackernden Licht. „Ihr kennt diesen Schurken?“, fragte Julietta verwirrt.
„Leider“, stöhnte Marcos. „Seine eigene Mutter würde ihn bestimmt nicht wiedererkennen, wenn ich ihn jetzt in den Kanal werfen könnte.“ Blitzschnell wollte er mit der freien Hand den Narren bei seinen Bändern packen, aber ebenso geschwind wich ihm Nicolai mit leichten Schritten tänzelnd aus.
„Oho, Il leone! Ist das die rechte Art, einen Freund zu behandeln? Ich fürchtete nur, der Abend sei noch zu früh für dererlei Sittenlosigkeit. Ich wollte nur, dass Ihr Euch Eure Kraft für spätere Unternehmungen bewahrt.“ Geschwind drehte sich Nicolai zu Julietta und grüßte sie mit einer tiefen, gestenreichen Verbeugung.„Ihr seid wohl die liebliche Julietta Bassano. Ein nie zuvor gehabtes Vergnügen, Madonna.“
Unwillkürlich musste Julietta über seine Possen lächeln. Auch wenn sie sie einen dummen, aber dennoch lang ersehnten Kuss gekostet hatten. „Ihr seid im Vorteil, Signore. Ihr kennt meinen Namen, ich den Euren aber nicht.“
„Oh Madonna!“, säuselte Nicolai, dabei hörte sie den leicht fremden Tonfall des kalten Nordens heraus. „Ich zweifle, dass Euch gegenüber jemals jemand im Vorteil sein könnte.“
Julietta runzelte erstaunt die Stirn, als Marcos dem Possenreißer einen herzhaften Stoß versetzte. „Dieser Schurke, wie Ihr ihn so richtig bezeichnet habt, ist Nicolai Ostrovsky, der Leiter jener Gauklertruppe dort drüben.“ Er deutete auf eine Gruppe Schausteller: purzelnde Akrobaten, eine Kolumbine im schwarz-weißen Seidenkostüm, die vorgab, sie nicht zu beobachten, ein Zwerg, der auf einem Seil balancierte, ein dünner Mann mit einer Pestarztmaske und noch einige andere Darsteller.
„Die besten Schausteller des ganzen Landes, Signora“, erklärte Nicolai mit einer erneuten tiefen Verbeugung.
„Da bin ich sicher“, erwiderte Julietta leise.
„Nun habt Ihr genug von unserer Zeit gestohlen, werter Freund“, sagte Marcos und gab Nicolai einen weiteren Schubs. „Ich kam mit der Dame zum Tanzen her.“
„Ach ja, sind wir deshalb nicht alle hier? Doch dieses Fest ist farblos und langweilig. Wir wollten uns gerade auf den Weg machen zu einem ganz anderen, weitaus reizvolleren geselligen Vergnügen. Habt Ihr nicht Lust, uns zu folgen?“
Die beiden Männer sahen einander aufmerksam an, ruhig und beherrscht, so als ständen sie kurz vor … Ja,
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