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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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tanzende Menge geschaffen. Jeder auf dem Platz war maskiert und kostümiert. Alle Arten von Verkleidungen waren zu sehen, angefangen von einfachen schwarzen Umhängen bis hin zu raffinierten, juwelenbesetzten Kostümen aus Seide und Or ganza. Wie in einem riesigen Strudel mischten sich all die verschiedenen Kostüme; goldene, silberne und kalkweiße Masken wirbelten in einer die Sinne verwirrenden Hemmungslosigkeit durcheinander. Unzählige Musikanten spielten zum Tanz auf. Schneller und schneller, immer wilder erklangen Flöten, Lauten und Trommeln, während die Tänzer „ La volta!“ riefen und die Männer ihre Frauen hoch in die Luft warfen. Akrobaten und Komödianten in hautengen, bunten, mit Bändern versehenen Kostümen tanzten und sprangen mit lauten Schellen, Ratschen und Rasseln durch die Menge. Über ihren Köpfen tanzten besonders waghalsige Artisten auf gespannten Seilen.
    Julietta genoss das Spektakel, während sie im Schatten stand und sich an Marcos’ Arm festhielt. All das kam ihr vor wie ein riesiger heidnischer Mummenschanz aus längst vergangenen Zeiten. Staunend und mit offenem Mund wie eine Bäuerin stand sie da. Einen Moment lang fürchtete sie sogar, die Vorbeigehenden könnten sich über sie belustigen. Doch dann erinnerte sie sich, dass ihr Gesicht hinter der Maske verborgen war. Es war alles so … so wunderbar. Ein verzauberter Traum.
    Natürlich hatte sie zuvor auch schon am Karneval teilgenommen. Wenn man in Venedig lebte, ließ sich das kaum vermeiden. Zur Zeit des Karnevals brach der Frohsinn aus jedem Winkel. Aber für gewöhnlich war sie in diesen Tagen immer nahe bei ihrem Haus geblieben und hatte nur auf dem campo ihres Wohnviertels getanzt. Höchstens war sie manchmal zu einem maskierten Abendessen gegangen, zu dem ein Kunde oder ein Freund sie eingeladen hatte. Niemals jedoch hatte sie so grandiose Feste wie dieses besucht. Schon gar nicht in Gesellschaft einer solchen Begleitung.
    Julietta blickte zu Marcos auf. Im Licht der Fackeln studierte sie sein Gesicht. Sein Mienenspiel konnte sie unter der silbernen Maske leider nicht erkennen, aber sie war sich sicher, dass auch er die Menge aufmerksam beobachtete.
    Als ob er ihren Blick gespürt hatte, wandte er sich ihr zu. Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er sich zur ihr hinunterbeugte und ihr ins Ohr flüsterte: „Wie eine Szene aus Ovid, nicht wahr? Die heidnischen Horden feiern ihre Götter.“
    Julietta lächelte zurück. „Genau das habe ich auch gerade gedacht.“ In dem Moment tanzte ein Paar vorbei, verkleidet als Apollo und Aphrodite in weiten, wehenden rot-weißen Kostümen, goldene Lorbeerkränze auf den Köpfen und die Gesichter hinter roten Masken verborgen. „Auch die beiden dort scheinen direkt aus Ovids Werken entsprungen zu sein, Signor Velazquez.“
    „Ach, meine Sonne, könnt Ihr nicht Marcos zu mir sagen? Nur für diese eine Nacht?“
    Obwohl Julietta die Tänzer beobachtete, war sie sich seines fragenden Blickes und seiner Nähe nur allzu bewusst. Sein Arm fühlte sich unter ihrer Hand hart und stählern an. Durch den Samt seines Ärmels spürte sie seine Wärme und Kraft.
    Es schien so einfach für ihn gewesen zu sein, sie zu bitten, ihn beim Vornamen zu nennen – aber dennoch fiel ihr die Antwort schwer.
    „Ich … denke schon“, murmelte sie.
    Er beugte sich noch weiter zu ihr herunter. Sie fühlte, wie eine sanfte kühle Brise die Locken an ihrer Schläfe berührte, und erzitterte. „Ich denke schon, Marcos“, sprach er leise vor.
    Gegen ihren Willen, gegen ihre feste Absicht, immer kühl zu bleiben und Abstand zu bewahren, schwankte sie ein wenig und lehnte sich für den Bruchteil einer Sekunde an seine Schulter. „Ich denke schon, Marcos. Nur für diese Nacht.“
    „ Va bene!“ Er lachte leise. „Und ich werde Euch weiter ‚meine Sonne‘ nennen. Nur für diese Nacht.“ Suchend streckte er den Arm aus, bis er ihre Hand fassen konnte und sich ihre Finger miteinander verbanden. Die seinen waren rau und ein wenig schwielig, was sie wieder daran erinnerte, dass unter seinem kostbaren Samtkostüm ein Seemann steckte. Ein Mann, dessen Leben das Meer und der Wind waren. Und ein Mann, der weniger und zugleich mehr war, als er vorgab zu sein.
    Ein Mann, der in diese Nacht der Masken passte.
    „Kommt“, sagte er und zog sie bei der Hand. „Lasst uns tanzen.“
    Richtig getanzt hatte Julietta lange nicht. Ein Tanz wie eine Volta, mit vielen komplizierten Schritten, war etwas

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