Die schöne Parfümhändlerin
die silbernen Glöckchen, die manche Frauen um die Hand- und Fußgelenke oder am Rocksaum trugen, und folgten genau dem Takt der Instrumente.
In den Ecken des Raumes standen Bronzepfannen, aus denen ein süßlicher Rauch strömte und ein wenig die feuchtkalte Luft vertrieb. Außer ein paar großen Sitzkissen auf dem Boden gab es kein Mobiliar. Julietta ließ ihren Blick über die Kissen schweifen, an den Wänden entlang bis hin zu der niedrigen Decke, die durch einen schwarz-roten Stoffbehang noch niedriger wirkte. Alle Gäste waren maskiert und kostümiert, und auch die, die nicht tanzten, waren offenbar in ausgelassener Stimmung. Noch nie hatte Julietta eine so unbeschwerte Vergnügtheit, eine derartig erfrischend ansteckende Unbekümmertheit erlebt.
Allmählich löste sich ihre Anspannung. Sie lächelte Nicolai zu. „Oh ja, Signore. Ihr habt recht.“
„Ich wusste, dass es Euch hier gefallen würde“, antwortete er. „Ich täusche mich selten in den Menschen. Fragt nur Il le one, Euren Freund.“ Die Kolumbine von der Piazza trat neben Nicolai und schmiegte sich eng an ihn.
„Wir haben auf Euch gewartet, Nicolasha“, säuselte sie, während sie buhlend mit den Fingern über die Bänder an seiner Schulter strich.
Er legte den Arm um ihre schmale Taille. „Tut mir leid, dass ich Euch habe warten lassen, moja dushka. Freunde, genießt den Abend“, rief er, als ein Harlekin ihm seine Kolumbine zum Tanz entführte.
Julietta drehte sich suchend zu Marcos um. Seine tiefblauen Augen beobachteten sie. Mit den Jahren hatte sie eine recht gute Kenntnis im Lesen der menschlichen Mienen entwickelt. Jeder Kunde betrat ihren Laden mit einem speziellen Wunsch, und meist wusste sie, bevor er den Mund aufmachte, was er wollte. Nur Marcos’ Mienenspiel blieb ihr ein Rätsel.
Sehr beunruhigend.
Lächelnd nahm er ihre Hand fest in die seine und drückte einen Kuss auf ihren Handrücken. „Wollt Ihr tanzen?“
Julietta schluckte. Diese hemmungslose Feier, die Berührung seiner Lippen auf ihrer Haut, die wilde, stampfende Musik, der parfümierte Rauch aus dem Kohlebecken, das alles verstärkte das berauschende Gefühl, das sie schon auf dem Weg hierher verspürt hatte. „Jetzt noch nicht“, lehnte sie deshalb ab. „Ich würde mich gerne setzen.“
Marcos nickte und geleitete sie zu einem der Kissen, die an der Wand lagen. Sittsam zog sie den Rock über die Beine, nachdem sie sich auf dem weichen Sitz niedergelassen hatte. Einen kurzen Augenblick lang überkam sie der Wunsch, sich der Länge nach in das seidige Federkissen sinken zu lassen und liegen zu bleiben, bis alle Furcht und Anspannung aus ihr gewichen waren. Doch sie durfte sich nicht gehen lassen. Nicht solange sie sich der Leute um sich herum nicht sicher war.
Marcos hegte solche Zweifel anscheinend nicht. Er machte es sich auf dem Kissen neben ihr bequem, streckte die Beine aus und legte seinen Kopf auf Juliettas spitzenbedeckten Schoß. Mit einer Hand spielte er ganz entspannt mit den Wollfransen am Kissen, und die Augen hinter der Maske fielen ihm zu. Fast erwartete Julietta, ihn wohlig schnurren zu hören, ganz so wie sein Namensvetter, der Löwe. Wie eine Raubkatze lag er da, die sich, zurück von einem siegreichen Beutezug, glücklich und zufrieden ausruhte.
Von diesem Anblick gefesselt, beobachtete Julietta ihn. Eine Weile verfolgte sie das Spiel seiner Finger mit den Fransen. Sie stellte sich vor, wie diese Hand über ihre Haut strich, über ihren Nacken und die Schulter entlang, und wie er ihre Brüste liebkoste, die nach seinen Küssen verlangten …
Julietta holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte der Versuchung zu widerstehen. Die Luft war schwer vom Wohlgeruch des Jasmins, von Wein, Rauch und Schweiß. Doch die Augen zu schließen half nicht, ihre Begierde zu vertreiben. Sie wurde nur noch stärker. Schneller und lauter wurde die Trommel geschlagen. Bilder, wie ihre Körper sich in feuchter Hitze im Takt der Musik vereinten, tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Vielleicht war es das, was sie fürchtete. Sie durfte niemals wieder erlauben, dass er sie berührte. Dann würde nämlich die winzige Knospe, die sie mit aller Macht niederhielt, aufbrechen und zu einer vollen, unkontrollierbaren Blüte heranreifen. Sie hatte Angst, die Kontrolle über sich zu verlieren und diesem Zauberer ganz und gar zu verfallen.
„Wein, Madonna?“, schreckte sie eine sanfte Stimme aus ihren Gedanken. Julietta öffnete die Augen. Vor ihr stand eine
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