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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Marco wieder zurücklegen mussten, ohne auch nur einen kurzen Blick hinter diese Tür geworfen zu haben, gingen ihr durch den Kopf.
    Schließlich ein quietschendes Geräusch, ein Klicken, und das Fensterchen wurde aufgeschoben. Hinter dem Gitter tauchte ein blasses Gesicht auf. „Was ist Euer Begehren?“, wisperte eine Stimme.
    „ Salto portego“, antwortete Nicolai. Mit lautem Knall wurde das Fenster geschlossen, und die Türe öffnete sich.
    Ängstlich blinzelte Julietta über Nicolais Schultern hinweg in die düstere Behausung. Nur Kerzenlicht an den weiß gekalkten Wänden konnte sie erkennen und eine behandschuhte Hand, die sie hereinwinkte. Es kam ihr vor wie in einer dieser alten Geschichten, in denen die Prinzessin aus unerfindlichen Gründen gefangen gehalten und schließlich von einem tapferen Ritter gerettet wird. Es kam ihr vor wie …
    Ja, wie eine der Geschichten, die ihr ihre Großmutter einst erzählt hatte. Unglaubliche Begebenheiten, von denen die alte Frau fest behauptet hatte, sie hätten sich wirklich ereignet. Nie hatte Julietta Derartiges gesehen, geschweige denn davon geträumt, sie würde es einmal erleben. Was würde heute Nacht mit ihr geschehen?
    Sie ließ Marcos’ Arm los. Entschlossen trat sie nun über die Schwelle, folgte Nicolai und der schwarz gekleideten Gestalt, die ihnen Einlass gewährt hatte. Marcos war dicht hinter ihr. Seine Hand, die leicht auf ihrer Taille ruhte, gab ihr Sicherheit. In diesem kurzen Moment fühlte sie sich auf ihrem seltsamen Lebensweg einmal bei ihrer Suche nicht allein.
    Sie wusste allerdings nicht recht, was sie von der Situation halten sollte. Geschweige denn von Marcos. Alles an ihm erschien ihr geheimnisvoll und eigenartig. Doch über dieses Rätsel nachzudenken war jetzt nicht die Zeit. Ihr Führer lotste sie eine steile Steinstiege hinunter. Die Luft war nasskalt und modrig, so als ob sie geradewegs unter die Stadt oder gar direkt ins Wasser gingen. Selbst Nicolais Schellen waren verstummt.
    Am Fuße der Stiege befand sich eine weitere Tür, die ihr Führer schnell aufschloss und dann aufstieß. Auf ihrem Rücken spürte Julietta Marcos’ Hand, die sie durch die Pforte in eine andere Welt schob.
    Das Fest auf der Piazza war für Julietta ein Traum gewesen. Doch das hier? Was war das? Ein Trugbild, erzeugt durch opiumgeschwängerten Rauch? Vielleicht eine Traumwelt, heraufbeschworen von einem Zauberer, der versuchte, sie auf Wege zu führen, denen sie nicht folgen durfte. Und wenn sie es doch täte, dann wäre sie verloren.
    Unsicher blickte sie zurück zu Marcos, der dicht hinter ihr stand. Seine Miene war völlig ausdruckslos. Und doch erschien er ihr irgendwie erwartungsvoll, als ob er – genau wie sie – am Rande eines Abgrunds stände. Bei der ersten Begegnung war er ihr wie ein Zauberer vorgekommen, mit verführerischem Blick und Magie in den Fingerspitzen. Genau diesen Eindruck hatte sie nun wieder. War er nicht doch ein Zauberer, der Mann mit den hinter der Maske glühenden Augen und dem schwarzen Umhang, auf dem Mond und Sterne leuchteten?
    Was geschah mit ihr?
    „Schaut, Madonna“, flüsterte Nicolai ihr ins Ohr, während er sie zugleich von ihrem verführerischen Magier fortzog. „Habe ich Euch nicht versprochen, dass unser Fest noch viel verheißungsvoller sein würde als das farbenfrohe Treiben auf der Piazza? Stimmt es nicht?“
    Er trat zurück und gewährte ihr den vollen Blick auf die Feier. Sie standen in einem großen rechteckigen Raum ohne Fenster. An den weiß gekalkten Wänden hingen dicke Teppiche, um die Feuchtigkeit zu vertreiben. Dazwischen hingen einige Leuchter, deren Feuerschein die eigenartigen Motive auf den Wandbehängen in schummriges Licht tauchte. Nicht die gemeinhin üblichen Bilder aus der biblischen Geschichte oder den klassischen Mythen waren hier dargestellt. Stattdessen waren seltsame Kreaturen zu sehen, riesige Katzen, Drachen und Einhörner, alle in grellen Farben und umrankt von verschlungenen Figuren aus fremdartigen Blumen und Pflanzen.
    Auf dem gefliesten Boden tanzte wie auf der Piazza eine farbenfrohe, ausgelassene Schar zu den melodischen Klängen von Laute, Zimbel und Trommeln. Doch die Tänzer bewegten sich nicht in geordneter Schrittfolge, sondern sie folgten dem wilden Takt der dumpfen Trommeln in eigener Weise. Ungestüm folgten sie der Musik, wirbelten stampfend umher, dass ihre Umhänge und Roben durch den Raum flatterten und flogen wie eine Schar bunter Vögel. Dazu erklangen hell

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