Die schöne Parfümhändlerin
maskierte Frau, die ein Tablett mit Bechern aus buntem Muranoglas hielt.
„ Grazie“, dankte Julietta und nahm einen dunkelroten Becher mit weißem Wein entgegen. Während sie vorsichtig daran nippte, bahnte sich die Dienerin wieder ihren Weg durch die fröhliche Menge.
Nie zuvor hatte Julietta einen Wein wie diesen probiert. So verführerisch süß und doch säuerlich wie ein Apfel. Sofort berauschte er sie, heiß strömte er durch ihren Körper. Benommen lehnte sie den Kopf zurück gegen die Wand und streichelte, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit der freien Hand den Kopf auf ihrem Schoß.
Sie öffnete das Band, mit dem das Haar zurückgebunden war, strich mit den Fingern durch die offenen Locken und breitete sie auf ihrem Rock aus. Weich und seidig fühlten sie sich an und doch so dicht und wellig. Wieder fielen ihr die Augen zu. Der klare Duft von Meerwasser stieg ihr in die Nase und vermischte sich mit dem Aroma des Weins und dem süßlichen Rauch im Raum. Sanft drückte sie ihre Finger gegen seine Schläfe, spürte sein pulsierendes Blut.
Wie lebendig er war! Warm und stark und jung. All ihre Sehnsüchte ließ er neu in ihr erwachen, ihren Hunger nach Leben. So lange war sie halb tot gewesen, stets wachsam, aber sicher in der Welt, die sie sich selbst geschaffen hatte. Nie zuvor war sie jemandem begegnet, der so lebendig, so voller Leben wie dieser Mann war. Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass er sie beobachtete. Seine Pupillen waren geweitet, im trüben Licht wirkten seine Augen dunkler und noch unergründlicher.
„Woran denkt Ihr, meine Sonne?“, fragte er leise.
Ja, woran dachte sie? Wie könnte sie ihm erklären, dass sie an ihn dachte, an das Leben, das in seinen Adern pulsierte, an ein Leben, nach dem sie sich verzehrte, das sie in sich aufsaugen und für immer besitzen wollte? Niemals durfte sie ihm das verraten. „Ich denke daran, wie froh ich bin, dass wir heute Nacht Euren Freund Nicolai getroffen haben und dass er uns an diesen Ort gebracht hat.“
„Euch gefällt es hier?“
„Sehr.“ Sie schaute zu den Tänzern, weg von seinem beunruhigend durchdringenden Blick. Die Musik war jetzt noch lauter und ausgelassener, die Trommeln dröhnten, dass selbst die Verstorbenen in ihren Särgen auf der Toteninsel es hören konnten. Mitten in der Menge entdeckte sie Nicolai, mit weit geöffnetem Wams und fliegenden Bändern, die Kolumbine in den Armen. Er sang im Takt der Musik, in seiner eigenen melodischen, fremden Sprache. Julietta verstand die Worte zwar nicht, aber die Melodie sprach zu ihr, spiegelte ihre verwirrten Gefühle wider.
Langsam glitten ihre Finger über Marcos’ leicht stoppelige Wangen und über sein scharfes Kinn. Etwas fester strich sie über die sinnlichen Lippen. Sie waren ein wenig rau, doch weicher, als sie erwartete hatte, fast wie Blütenblätter fühlten sie sich an. Er schluckte hart. Kühl strömte sein Atem über ihre Hand.
Zärtlich streichelte sie ihn weiter bis zu seinen Schultern, erahnte die Muskeln unter dem Samt. Marcos, der bis dahin ganz still gelegen hatte, öffnete die goldenen Ösen an seinem Wams. Die Bänder an dem feinen Leinenhemd waren bereits gelöst. Unter dem weißen Stoff konnte Julietta seine sonnengebräunte Brust erkennen. Sie stellte sich vor, wie er auf seinem Schiff hoch oben im Ausguck thronte, sich in den Wind lehnte und den salzigen Schaum …
In einem Zug leerte sie den restlichen Wein und stellte den Becher neben sich auf den Boden. Sofort kam ein Diener, der den Becher gegen einen vollen tauschte. Wider besseres Wissen – heute Nacht wollte sie übermütig sein – trank sie auch diesen Wein.
Er war süßsauer und anregend wie der letzte. Teufelswein, dachte sie, während sie kichernd daran nippte. Doch eigentlich wusste sie genau, dass es nicht allein der Wein war, der sie so schwindelig machte.
„Habt Ihr einen Schluck übrig für einen durstigen Seemann, Signora?“, bat Marcos und hielt sie am Handgelenk fest.
Julietta blickte in den halb geleerten Becher. „Aber nur, weil der Seemann so freundlich war, mich heute Nacht hierherzubringen.“
Sie hielt den Becher an seine Lippen. Marcos hob den Kopf, um zu trinken. Als der Becher geleert war, bettete er seinen Kopf wieder in ihren Schoß und langte spielerisch nach der goldenen Spitze an einer Falte ihres Rockes.
„Schön, dass es Euch hier gefällt. Nicolai spürt in jeder Stadt die geheimnisvollsten Orte auf.“
Beide Hände in seinen Locken vergraben,
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