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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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vergaß.
    Julietta strich nachdenklich über den Stiel ihres Weinkelches. „Und Ihr, was denkt Ihr über unseren Gast?“
    Balthazar senkte die Stimme. „Ich halte ihn für einen großen Schwindler“, flüsterte er ihr kaum hörbar ins Ohr.
    Erschrocken sah Julietta ihn an. Das waren klare Worte. In dieser Umgebung seltener als Rubine. War er etwa betrunken? Nein, sein Kelch war nur halb geleert, seine Augen waren klar.
    „Ein Schwindler?“
    „Glaubt Ihr denn allem, was er sagt? Kapitän eines Handelsschiffes, der soeben mal brutale maurische Piraten besiegt? Ein spanischer Kaufmann, zugleich ein vollendeter Höfling oder vielleicht besser ein geschickter Schleimer, der sich seinen Weg bis in die Spitzen unserer Gesellschaft bahnen kann?“ Plötzlich griff er nach ihrer Hand und hielt ihr Handgelenk fest umklammert. „Fragt Ihr Euch nicht auch, was er wirklich hier will?“
    Julietta holte hörbar Luft. Balthazars harter Händedruck bewirkte bei ihr einen jener bekannten feurigen, dunklen Gefühlsstürme. Schmerz, Angst, Neid, Verlangen, dunkle Leidenschaft und vereitelte Liebe stürzten auf sie ein. Sollte das Erbe ihrer Mutter sie wieder heimsuchen? Hier? Jetzt? Jahrelang hatte sie es rücksichtslos unterdrückt. Nur selten, in leicht zu vertreibenden Schüben, kam es, so wie an dem Tag, als sie Marcos zum ersten Mal begegnet war und er ihr Handgelenk berührt hatte.
    Sie fühlte sich hineingezogen in den Morast von Balthazars wirrer Gedankenwelt, in eine dunkle Welt voller Gefahren und Leidenschaften. Es war ein hässlicher Ort. Ruckartig zog sie ihre Hand zurück. Ihre Haut fühlte sich kalt und feucht an. Zitternd griff sie nach ihrem Pokal und führte ihn gierig an die trockenen Lippen.
    „Vergebt mir, Signora Bassano“, raunte Balthazar. „Ich wollte Euch nicht belasten.“
    „Was wisst Ihr über Signor Velazquez? Was habt Ihr entdeckt?“, fragte sie flüsternd.
    „Bislang nichts Greifbares.“ Balthazars grübelnder Blick ging über die Tafel. Aber ihn interessierten nicht die vielen zunehmend ausgelassener werdenden Gäste, die berauscht waren vom guten Essen und Trinken. Er sah nur die kleine machtvolle Gruppe am Kopf des Tisches. „Aber bald werde ich mehr wissen, das verspreche ich Euch.“
    Julietta blieb eine Antwort erspart, da der Doge sich erhob. Sofort herrschte Ruhe im Saal. Andrea Gritti hob seinen Pokal in die Höhe und sagte mit lauter Stimme: „Trinken wir auf das Wohl von Signor Marcos Antonio Velazquez, den Retter unserer Schifffahrt, der Lebensader unserer schönen Stadt. Danken wir ihm für seine Kraft und seinen Mut. Bezeugen wir ihm all unser Lob und unsere Dankbarkeit.“
    Zustimmend wurden an der gesamten Tafel die Pokale gehoben, begleitet von einem wogenden Gemurmel von Lob und Dank. Als Antwort beugte Marcos würdevoll sein Haupt. Julietta bemerkte, dass Balthazar nur so tat, als tränke er auf das Wohl des hohen Gastes.
    „Ja, auf Il leone“, flüsterte sie. Doch zugleich fürchtete sie, dass all die guten Wünsche, all die Huldigungen der Damen und die eifersüchtigen Blicke der Männer ihm angesichts eines solch missgünstigen Feindes nichts nützen würden.

11. KAPITEL
    Julietta war vollkommen erschöpft. Der Lärm der vielen Menschen, das üppige Mahl, der Wein und nicht zuletzt der kurze Einblick in Balthazar Grattianos seelische Verfassung und seine geheimsten Gedanken zerrten an ihr. Mit schweren Gliedern und schwirrendem Kopf saß sie in der Nähe der Tür im Festsaal und lauschte nur mit halbem Ohr den munteren Madrigalen, die Conte Grattiano nach dem Mahl zur Unterhaltung seiner Gäste aufspielen ließ. Man plauderte, es wurden Süßigkeiten gereicht, die Stimmung war gelöst, doch Julietta verfiel ins Grübeln. Wirklich ein eigenartiger, verbitterter Jüngling, dieser Balthazar. Allerdings, einen gewissen Sinn ergaben seine Worte schon. Ähnliche Überlegungen hatte Julietta ja schließlich auch bereits angestellt. Was wollte Marcos eigentlich wirklich hier in Venedig? Worin lag die Magie, mit der er alle Leute anzog – selbst sie, Julietta Bassano?
    Sie strich sich über die Stirn und ließ den Blick forschend über die Schar der Gäste schweifen. Marcos konnte sie nirgends entdecken, auch ihren Gastgeber nicht. Umgeben von seinem Gefolge, saß der Doge in seinem Thronsessel und lauschte der Musik. Balthazar hatte neben einer blonden Schönheit an der Fensterfront Platz genommen. Schüchtern lächelnd schaute das junge Mädchen zu ihm auf, was er mit

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