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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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einem kurzen, freundlichen Nicken quittierte. Dennoch fielen Julietta auch jetzt wieder der erbitterte Zug um den Mund des Jünglings und seine angespannte Haltung auf. Ihr wurde erneut angst und bange, als sie daran dachte, mit welcher unterschwelligen Wut er ihr seinen Ärger kundgetan hatte.
    Die vielen Menschen, die Hitze im Saal, die mannigfachen Gerüche, der Wein, ständig auf der Hut sein zu müssen – Julietta war alles zu viel. Sie stand auf und schlich sich leise aus dem Saal.
    Im Gegensatz zu dem hell erleuchteten Festsaal war es im Korridor finster. In den Wandhaltern steckten nur wenige Kerzen, die ein flackerndes Licht auf die türkischen Teppiche und die kostbaren Gemälde florentinischer Maler warfen. Hinter den verschlossenen Türen zum Speisesaal waren das Klirren von Glas und Metall zu hören und das Geschwätz der Dienerschaft, die die Tische abräumte und sich zweifelsohne an den köstlichen Resten gütlich tat. Unbemerkt schlich sich Julietta vorbei, die Musik und das Stimmengewirr aus dem Festsaal verklangen allmählich, und es umfing sie nur noch die bleierne Stille des großen Hauses.
    Grabesstille.
    Nahe einer breiten, geschwungenen Marmortreppe stand eine Tür halb offen. Vorsichtig spähte Julietta hindurch. Es war ein kleiner, nur spärlich mit einem Tisch, einigen wenigen Stühlen und einer niedrigen Ottomane ausgestatteter Raum. Doch es gab ein großes Fenster, und durch das Glas schien der Mond als zarter Lichtschimmer in der wohltuenden Tarnung der Nacht.
    Julietta schlüpfte in den Raum und zog leise die Tür hinter sich zu. Wie ein samtener Mantel umfing sie die ruhige Einsamkeit. Endlich fanden ihre gereizten Sinne Ruhe. Hier gab es niemand, der sie beobachtete, niemand, der ihr Geheimnis entdecken wollte – oder sein eigenes verbergen. Mit wenigen Schritten durchquerte sie den Raum, schob den Riegel zur Seite und öffnete die Fensterflügel weit.
    Der schmale Kanal, an den der Palazzo an dieser Seite grenzte, war ruhiger, aber auch hier wurde der Karneval gefeiert. Auf den dunklen Wassern bewegten sich einige Boote, in denen Liebespaare eng umschlungen saßen. Lachen und halblaute Worte, verliebte Seufzer, leises Stöhnen und Schreie tönten über die feuchten Steinwände zu ihr herauf.
    Julietta lehnte sich gegen den Fensterrahmen, schloss die Augen und atmete die Nachtluft ein. Es wehte eine kräftige Brise in dieser Nacht, die Luft war feucht, und vom Kanal zog ein modrigsüßer Geruch herauf, Leidenschaft und Frohsinn verheißend. Wie sehr sehnte sie sich danach, dort draußen in der Nacht zu sein, teilzunehmen am Fest der Masken, an flüchtigen körperlichen Begierden. Endlich einmal ihre sinnliche Leidenschaft zu befriedigen. Wenn sie nur einmal ihrem Verlangen nachgäbe, vielleicht wäre sie danach davon befreit. Vielleicht könnte sie dann ihr ruhiges Leben, so wie sie es sich hier in Venedig eingerichtet hatte, fortsetzen.
    Nur ein einziges Mal. Sie begehrte Marcos, seinen Körper, seinen Kuss, seinen Geruch, wollte spüren, wie er heiß und schwer auf ihr lag und ihre Wünsche erfüllte. Doch war da noch mehr, was sie begehrte. Sie wollte ergründen, was er fühlte, was die geheimnisvollen Augen verbargen. Ja, es war dieser Blick, der ihr Angst machte, der sie zur Vorsicht mahnte.
    Leise quietschte hinter ihr die Tür. Julietta riss die Augen auf, umklammerte mit einer Hand den Fensterrahmen, aber sie drehte sich nicht um. Sie musste es gar nicht. Wusste sie doch genau, wer da stand und sie beobachtete.
    Marcos.
    „Weshalb versteckt Ihr Euch hier, Julietta?“, fragte er mit leiser, heiserer Stimme.
    Die Tür fiel hinter ihm zu.
    Welchen Unfug heckte seine Sonne jetzt aus?
    Von seinem Versteck unter der breiten Marmortreppe beobachtete Marcos, wie sich die Gestalt in der roten Robe von der Gesellschaft entfernte und über den Korridor schlich. Ängstlich schaute sie sich um, dann verschwand sie durch die Tür in den dunklen Raum.
    Was suchte sie dort? Jeder Muskel in seinem Körper war aufs Äußerste gespannt, in seinen Schläfen pochte es. Vom ersten Moment an, als er Julietta in der Halle erblickt hatte, war er unruhig und gereizt. Er hatte gedacht, ja, gehofft, dass er sie nach dem hastigen Abschied kurz vor Morgenanbruch nach Nicolais Feier aus seinem Gedächtnis verbannen könnte. Er hatte gehofft, die Erinnerung an ihr Jasminparfüm, an ihre seidige Haut, den verführerischen Kuss vergessen zu können und seinem Ziel immer näher zu kommen.
    Doch so war es

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