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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Miene bot ihr Tischpartner ihr ein verführerisch duftendes Stück Konfekt an.
    Mit einem leisen „ Grazie!“ nahm sie die Süßigkeit entgegen.
    Das Marzipan schmeckte himmlisch, nach Mandeln und Rosen. Das war wahrhaftig eine seltene Köstlichkeit, die Julietta aber dennoch nicht genießen konnte. Schon den ganzen Abend hatte sie das Gefühl, ständig auf der Hut sein zu müssen. Sie kam sich vor wie einer der Seiltänzer auf der Piazza, die hoch oben auf den dünnen Seilen gewandelt waren, unter sich einen tiefen Abgrund. Der Doge, Conte Grattiano, Balthazar, Marcos … jeder von ihnen war voller Geheimnisse, und von allen ging eine unbekannte Gefahr aus.
    Während sie langsam das Konfekt aß, beobachtete Julietta ihren Tischnachbarn. Sie konnte sich nicht erklären, weshalb sie wieder, wie bei dem großen Umzug, das eigenartige Gefühl der Vertrautheit beschlich. Die schmalen jugendlichen Gesichtszüge, die scharfen hohen Wangenknochen, eine gerade Nase, alles Attribute eines reizvollen jungen Mannes. Nur die vollen Lippen presste er viel zu oft zu einem dünnen ärgerlichen Strich zusammen. Das glänzende dunkle Haar trug er glatt und schulterlang. Er hatte die grüne Augenfarbe seines Vaters geerbt. Doch während Ermanos Augen smaragdgrün und kalt funkelten, waren Balthazars Augen eher moosgrün, wie ein urzeitlicher Wald.
    Julietta verstand den Jüngling nicht. In seinem Alter war sie arglos und voller Lebenslust gewesen. Erst ihre Ehe hatte alle jugendliche Leichtigkeit getötet. Balthazar dagegen kam ihr stets so misstrauisch und unzufrieden vor. Weshalb aber war ein junger Mann wie er unglücklich? Ganz Venedig wartete doch nur darauf, für diesen verwöhnten Jüngling den roten Teppich auszurollen.
    Rätsel mochte Julietta nicht. Die brachten ihr meist Ärger.
    „Was haltet Ihr von unserem großen Helden, Signora Bassano?“ Balthazars Blick ging zu Marcos, der sich leise mit dem Dogen unterhielt. Seine ernste Miene blieb unverändert, aber Julietta bemerkte, dass sich die Haut über seinem Kinn leicht spannte.
    Sie schaute hinüber zu der kleinen Gruppe – Venedigs Machtzentrum. Doch sie sah weder den Dogen noch all den Prunk, der ihn umgab. Sie nahm nur den Mann wahr, nach dessen Liebe sie sich wider alle Vernunft so sehr sehnte – das Objekt all ihrer törichten, wiedererwachten Begierden.
    Was aber sah Balthazar? Etwas, dem er nacheifern wollte? Oder das in ihm Neid erzeugte? Oder war es gar Hass?
    „Er ist … sehr beeindruckend“, antwortete sie vorsichtig.
    „Aha. Folgt Ihr etwa den Damen, die sich wie die Tauben auf der Piazza um ihn scharen? Wollt Ihr etwa auch lauthals um seine Aufmerksamkeit heischen?“
    „Nein, niemals“, widersprach Julietta aus vollem Herzen. „Sollte es nicht dennoch möglich sein, eine Sache oder auch einen Menschen nur um seiner Schönheit willen zu bewundern, ohne dafür zu kämpfen und es besitzen zu wollen?“
    Nein, das war eine Lüge. Sie wollte Marcos besitzen, seinen Körper, seine Seele wollte sie in sich aufnehmen. Ihr sollte er gehören. Aber sie war zu stolz, um sich mit den anderen um ihn zu scharen, wie Balthazar es bezeichnet hatte. Und vor allem war sie zu vorsichtig; sie hatte schließlich ein Geheimnis zu bewahren, konnte sich die leichtsinnige Unbeschwertheit anderer Frauen keinesfalls erlauben. Aber das alles konnte sie natürlich Balthazar nicht erzählen.
    „Dann seid Ihr wahrlich die Einzige.“ Verbitterung lag inseiner Stimme. Ärgerlich spießte er ein Stück gewürztes Kalbfleisch auf sein Messer. „Ganz Venedig verehrt Il leone. Sogar mein Vater.“
    Julietta sah zu Ermano. Zurückgelehnt und zufrieden lächelnd wie ein König, der auf sein Reich schaut, saß er in seinem Sessel. „Ich glaube kaum, dass Euer Vater außer Gott irgendjemanden verehrt.“
    „Sehr taktvoll, Signora Bassano. Aber Ihr habt recht. Mein Vater ist sich seiner eigenen Stärke viel zu sicher, als dass er sich in Ehrfurcht vor der anderer verneigen könnte. Ja, aber er bewundert und vertraut Signor Velazquez. Vielleicht wünscht er sich sogar, Il leone wäre sein eigener Sohn?“
    Vertraut ihm? Julietta wusste nicht, dass Marcos und Ermano sich so gut kannten. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken bei dem Gedanken an die gemeinsamen Stunden mit Marcos, daran, wie nahe sie sich gewesen waren. Konnte man denn in dieser Stadt wirklich niemandem trauen? Macht regierte diese Stadt, und Ermano besaß Macht in Hülle und Fülle. Ein Narr, der das

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