Die schöne Parfümhändlerin
Seitdem benimmt er sich wie ein Kind, dem man gesagt hat, dass es keine Süßigkeiten bekommt.“
Marcos schüttelte den Kopf. Er hatte das fiebrige Feuer in Ermanos grünen Augen gesehen, als dieser mit ihm über Julietta Bassano gesprochen hatte. Es war das gleiche Feuer gewesen, das in den Augen des maurischen Piraten aufgeflackert war, als er noch geglaubt hatte, das spanische Schiff sei eine leichte Beute. „Ermano will mehr als nur Euer Land. Und Ihr wisst es, Julietta.“
Ihr entschlüpfte ein leiser mutloser Seufzer. „Ich will nicht über ihn reden“, sagte sie, indem sie zugleich ihre Hand aus seiner Umklammerung befreien wollte.
Doch Marcos ließ sie nicht los, sondern zog Julietta ganz nahe zu sich heran. Ihr Atem ging schwer, ihr samtverhüllter Busen stieß an seine Brust. Kühl und schnell ging ihr Atem gegen seine Kehle. Noch hielt Julietta still, doch er spürte ihren festen Willen, sich freizukämpfen, wie ein Seevogel im Netz des Fischers auf seine Gelegenheit zur Flucht wartet.
Marcos konnte sie nicht gehen lassen. Jetzt nicht mehr. Zu einem lodernden Feuer war sein Verlangen nach ihr geworden. Er rieb seine Nase an ihrer Schläfe, atmete den Jasminduft ein. Maledizione, wie betörend! „Dann werden wir nicht mehr über ihn reden“, flüsterte er ihr ins Ohr und spürte, wie sie zitterte. „Verlassen wir diesen Ort.“
Verschämt senkte sie die Lider. Wie seidige Vorhänge lagen die Wimpern auf den weißen Wangen. „Der Conte, der Doge …“
„Habt Ihr nicht selbst gesagt, wir wären zu unbedeutend, als dass man uns vermissen könnte? Kommt, das Fest ist doch langweilig. Wir finden eine schönere, eine lauschigere Geselligkeit.“
Die schwarzen Wimpern flatterten in die Höhe, in den dunklen, unergründlichen Augen blitzte ganz leicht der Schalk. „Wollen wir Euren Freund Nicolai suchen? Sagtet Ihr nicht, er würde immer wissen, wo die fröhlichsten Feste gefeiert werden?“
„Oh, meine Sonne“, lachte Marcos. „Ihn brauchen wir nicht. Wir feiern unser eigenes fröhliches Fest.“
Sie schüttelte den Kopf, so als wolle sie ihre Bedenken abschütteln. „Nun denn. Lasst uns gehen … wenn wir unbemerkt an unserem Gastgeber vorbeikommen.“
Marcos’Blick ging zum geöffneten Fenster. Mit einem Schritt war er dort, beugte sich über die Brüstung und schaute nach unten. Wie erwartet, entdeckte er eine schmale Steinstiege, die an der Hausmauer entlang hinunter zur Kaimauer führte. Ein geheimer Ausgang für den Conte, wenn dieser Pomp und Aufmerksamkeit am Hauptportal umgehen wollte.
„Hier entlang“, sagte Marcos und schwang sich über die Brüstung. Dann drehte er sich um und fasste Julietta um die Taille. Aber Julietta machte sich ganz steif, als er sie zu sich herunterheben wollte.
„Das ist ein langer Weg bis nach unten“, widersprach sie leise.
„Wenn Ihr fallt, Julietta, werde ich Euch ganz bestimmt auffangen. Glaubt mir, immer!“
Eine ganze Weile sah sie ihn nachdenklich an. Ihm war, als wäge sie die Aufrichtigkeit seines Gelübdes ab, vielleicht aber fragte sie sich auch, ob er selbst es wert war. Doch schließlich nickte sie, und er hob sie aus dem Fenster hinaus in die Nacht.
12. KAPITEL
Julietta hielt sich an Marcos’ Hand fest, während er sie über die schmale, feuchtglatte Stiege nach unten führte. Der Kanal lag verlassen, nur das leise Plätschern des Wassers gegen die Kaimauer und der Hall ihrer eigenen Schritte waren zu hören. Am Fuße der Stiege hob Marcos Julietta über eine schmierige Ablaufrinne.
Und als die Gefahr für ihr feines Schuhwerk vorüber war, stellte er sie nicht etwa auf den Boden, sondern hielt sie fest umfangen und drehte sich mit ihr jubilierend im Kreis. Lachend legte Julietta ihren Arm um Marcos’ Nacken, drückte ihm kleine Küsse auf Wangen und Kinn und schnupperte glücklich den ihm so eigenen Meerwasserduft. Glücklich und frei fühlten sie sich, wie zwei entflohene Häftlinge.
Ein berauschendes Gefühl. Die lähmende, förmliche Stimmung im Palazzo Grattiano, ihre Zweifel und Ängste, ihre Geheimnisse waren für einen Augenblick vergessen.
Langsam und zögernd stellte Marcos sie auf den Boden und legte ihr den Arm um die Schulter.
„Wohin sollen wir gehen?“, wollte sie wissen, während sie mit den Fingern durch sein seidiges Haar strich.
„Als Erstes müssen wir eine Gondel finden und einen Krug Wein besorgen.“
„Und uns einfach treiben lassen?“
„Natürlich! Wenn es meine Liebste so will, dann
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